Demokratie am Feierabend?
Arbeiterliche Unzufriedenheit mit der Demokratie und die Potenziale gewerkschaftlicher Organisierung in Sachsen
Jonas Ochsmann26.7.25 13:30
Die großen Wahlerfolge der AfD im Osten, als auch ihr Zuspruch bei Arbeitern und Arbeiterinnen und sogar unter Gewerkschaftsmitgliedern, sorgen bei Liberalen und Linken für Schrecken und Unverständnis. Häufig wird in der Diskussion um die Rettung der Demokratie aber der Bedeutung arbeitsweltlicher Erfahrungen wenig Beachtung geschenkt. Denn gerade im Osten, so unsere These, laufen Gefühle von Entwertung und Ohnmacht unter Arbeiter und Arbeiterinnen inner- wie außerhalb des Betriebs zusammen und begründen eine bewusste Distanz zu Regierungsprojekten und Staatsinstitutionen, von der die AfD profitieren kann.
Anders als Parteien oder die meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen, schaffen es jedoch Gewerkschaften eine Brücke in den Alltag von Beschäftigten herzustellen, wenn mit ihnen eine konkrete Veränderungsmacht einhergeht. Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass gewerkschaftliche Selbstermächtigung und kollektive Handlungsfähigkeit Demokratisierungsprozesse auslösen, die über den Betrieb hinausgehen. Eine „Impfe gegen die AfD“ ist damit aber noch nicht entdeckt.
Jonas Ochsmann hat bis letztes Jahr im Projekt Handlungsfähigkeit (wieder)entdecken: Arbeitskämpfe, lokale demokratische Kultur und Strukturwandel in Sachsen am Else-Frenkel-Brunswik-Institut (EFBI) gearbeitet. Im Vortrag wird er Schlaglicher auf die Diskussion um den »gewerkschaftlichen Aufbruch« in Ostdeutschland werfen. Seit diesem Jahr arbeitet er für eine große Industriegewerkschaft in Chemnitz.