Probleme der Übergangsgesellschaft
Jan Groos, Larissa Schober, Übertage Podcast5.8.23 13:00
Anarchist:innen tendieren dazu, Institutionen abzulehnen, in denen gesamtgesellschaftlich verbindliche Entscheidungen getroffen werden – auch dann, wenn diese Institutionen basisdemokratisch organisiert werden. Stattdessen befürworten sie die Prinzipien der Konföderation und der freien Assoziation.
Kommunist:innen wenden dagegen häufig ein, dass in einer stark arbeitsteiligen Gesellschaft die eigenen Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung von den Entscheidungen aller anderen abhängig sind; und dass deshalb ein gewisser Grad einer gesamtgesellschaftlichen verbindlicher Koordination nötig und wünschenswert ist. So sollte es nicht jederzeit fraglich sein, ob die Vereinbarung über eine regelmäßige Lieferung von Chemikalien, mit denen bestimmte Medikamente hergestellt werden, noch als verbindlich angesehen werden. Außerdem: Geht es mich wirklich überhaupt nichts an, wenn sich in einem anderen Teil der Konföderation das Patriarchat erneut durchzusetzen beginnt? Und erfordert eine Aufgabe wie die Eindämmung der Klimakrise nicht doch eine gesamtgesellschaftliche Planung? Solche Einwände werfen allerdings die Frage auf, wie verhindert werden kann, dass gesamtgesellschaftliche Institutionen nicht, wie im Realsozialismus, einen herrschaftsförmigen oder repressiven Charakter annehmen.
Auf dem Podium wollen wir diskutieren, ob es in einer Gesellschaft, die klassenlos und frei vom Patriarchat und von Rassismus ist, Grenzen des Konzepts der Föderation gibt, ob sie gesamtgesellschaftliche Institutionen braucht und ob sich diese herrschaftsfrei denken lassen.
Marian und Joshua sind die beiden Hosts von »Übertage – Der anarchistische Pottcast« aus Dortmund.
Heide Lutosch ist Übersetzerin für englische Sachbücher und hat zwei Kinder. Sie beschäftigt sich zur Zeit mit Fragen der Care-Arbeit in der befreiten Gesellschaft, zum Beispiel: Wie kann die Sorge für Kinder anders und besser organisiert werden, und welche gesellschaftlichen Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein? Auf dem Podium möchte sie eine feministische Perspektive auf Freiwilligkeit, Freiheit und Herrschaftsfreiheit einbringen, und die Frage aufwerfen, wie in Aushandlungsprozessen in einer befreiten Gesellschaft die Bedürfnisse verschiedener Gruppen, auch jener, die sich nicht »normgerecht« artikulieren, gehört werden können.
Jan Groos ist Forscher, Filmemacher und Podcaster. Er arbeitet derzeit an seiner Dissertation zum Thema »Soziotechnische Imaginationen algorithmischer Regierungskunst« und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim DFG-Projekt »Das Regieren der Algorithmen« am Arbeitsbereich Soziologische Theorie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Als Teil seiner Forschungspraxis betreibt den Podcast »Future Histories«.
Larissa Schober ist Redakteurin bei der iz3w und schreibt als Freie vor allem über das ehemalige Jugoslawien, Erinnerungskultur, Feminismus und rechte Bewegungen. In der Diskussion um eine befreite Gesellschaft treibt sie besonders die Frage um, wie soziale Zusammenhänge anders gedacht werden können und warum so wenig über die Abschaffung der Familie gesprochen wird.