Die Spaltung der IAA als Ausdruck der Differenzen zur wirklichen Bewegung der Arbeiter*innen.
Detlef Hartmann1.8.23 11:00
Die Bereitschaft der linken Intelligenz, dieser Bewegung Rechnung zu tragen, war in der Internationalen Arbeiter Assoziation (1864-1876, auch genannt: 1. Internationale) unterschiedlich. Das lässt sich am besten von der Londoner Konferenz der IAA vom 17. – 23 September 1871 her aufschlüsseln. Im IAA-Schwergewicht Frankreich war die verschiedentlich auch von der IAA unterstützte in der Provinz herangewachsene proletarische Kommunebewegung soeben in Paris blutig niedergeschlagen worden. In ihr hatte sich eine wachsende autonome Streikoffensive der Arbeiterinnen ihren politischen Ausdruck gegeben: gegen ihre Entwertung und Verelendung im Zuge der Innovationsoffensive des von Kaiser Napoleon und neuem Großkapital vorangetriebenen Fabriksystems und selbstorganisiert gegen seine zentralistischen Unterwerfungsstrategien und das europaweit durchaus exemplarisch. Zur Konferenz lud der von Marx dominierte IAA-Generalrat nur Delegierte aus ausgewählten Ländersektionen ein, um die IAA im Beschlusswege in ein von oben zentralistisch organisiertes diktatorisches Parteiprojekt umzugestalten. Die Antwort der Sektionen und Arbeiterinnen war eine vernichtende Abfuhr dieses Beschlusses. Damit fand eine Entwicklung ihren Abschluss, in der die IAA durchaus ein Instrument der Bewegung hätte werden können. Denn aus den organisatorischen Initiativen arbeiternaher französischer und englischer Akteure im Jahre 1862 war ein flexibler Zusammenhang geworden, der den Eigenheiten, sozialen Formen autonomer Selbstorganisation und Kämpfen der proletarischen Bewegungen Rechnung tragen konnte und sie zunehmend materiell und mit Organisationsleistungen unterstützte. Die Anarchistinnen waren bis hin zu ihren Führungsfiguren (Louise Michel, Kropotkin, eingeschränkt Bakunin) praktisch, theoretisch und mit größerem Respekt näher bei den Arbeiterinnen als der hier weitgehend unbekannte Marx. Sie antworteten weniger zentralistisch mit antiautoritären IAA-Kongressen. Dadurch brachten sie den marxistischen Generalrat nachhaltig in eine ausweglose Defensive und schließlich zu seiner Flucht in die USA. Bis schließlich die Bewegungen der sozialen Revolution völlig neue Antworten auf die kapitalistische Innovationsoffensive entwickelten und den Kampf auf ein neues historisches Niveau transformierten.
Diese Entwicklung werde ich in meinem Beitrag nachzeichnen, mit diesen Ausblicken: Historisch auf die Kämpfe der Bauernarbeiter*innen und sie begleitenden anarchistischen Initiativen gegen die Barbarei der zunächst zaristischen und dann in Verlängerung der Generalrats-Strategien bolschewistischen Offensiven fordistisch-kapitalistischer Erneuerung. Theoretisch auf die Notwendigkeit, das verkürzende ökonomistische Verständnis des Kapitalismus aufzugeben durch eine Einbeziehung der technologischen Innovationsoffensiven und der revolutionären Antworten. Die Anforderung, die Erinnerung an die vergangenen Kämpfe der IAA-Episode und den wie etwa von Michel und Kropotkin gezeigten Respekt für die zukünftigen fruchtbar zu machen.
Es sind Perspektiven, die ich als Aktivist, Autor und Anwalt aus den Kämpfen der letzten Jahrzehnte gewonnen und in „Krisen, Kämpfe, Kriege, Innovative Barbarei gegen soziale Revolution. Kapitalismus und Massengewalt im 20. Jahrhundert“ (2019) und – zusammen mit Christopher Wimmer – „Die Kommunen vor der Kommune 1870/71 – Lyon, Le Creusot, Marseille, Paris“ behandelt habe.