Der spanische Anarchismus
Reiner TosstorfReiner Tosstorff, apl. Prof. für Neueste und Zeitgeschichte, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Schwerpunkte: span. Sozialgeschichte, Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung. Einige Veröfentlichungen mit Bezug zum Thema: »Die POUM in der spanischen Revolution«, Köln 2016; »Der spanische Anarchismus nach 1939 in der französischen Résistance und im innerspanischen Widerstand«, in: Andreas G. Graf (Hg.), Anarchisten gegen Hitler, Berlin 2001, S. 189-209; »Barcelona 1917-1923. Zwischen militanten Streiks und Pistoleros«, in: Marcel Bois, Frank Jacob (Hg.), Zeiten des Aufruhrs (1916-1921), Berlin 2020, S. 271-298.
Die Existenz einer anarchistischen Massenbewegung gilt zu Recht als die Besonderheit der spanischen Sozialgeschichte. In keinem anderen Land Europas konnte eine vergleichbare Bewegung jahrzehntelang die Hegemonie innerhalb der Linken erringen. In anderen Ländern blieb der anarchistische Einfluss zeitlich viel beschränkter und zudem in einer Minderheitenrolle, die allenfalls vorübergehend und dann auch nur regional beschränkt ausgeweitet wurde. In Spanien dagegen erstreckte sich die Blütezeit fast vom Beginn des ersten Auftretens im Jahre 1868 bis mindestens zum Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 mit seiner vorübergehend sogar mögliche erscheinenden libertären Revolution, wenn nicht auch noch zu Beginn des antifrankistischen Widerstands. Heute dagegen, nach Jahrzehnten zuerst der Franco-Diktatur und dann der parlamentarischen Monarchie, ist auch der spanische Anarchismus nur noch eine organisatorisch und ideologisch zersplitterte Minderheit unter anderen, dominanteren Strömungen der radikalen Linken. Aufgrund dieser Vergangenheit spielt er, dies durchaus im Unterschied zu den übrigen europäischen Ländern, aber immer noch eine viel präsentere Rolle als legitimer Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses des Landes.
Spaniens Begegnung mit dem Anarchismus - Bedingungen eines Zusammentreffens
Es begann mit einer Art Missionsreise. Im Oktober 1868 traf der radikale italienische Abgeordnete Giuseppe Fanelli (1827-1877) in Barcelona ein. Nur einen Monat zuvor hatte im Land eine dann sechs Jahre dauernde Revolution begonnen. Die Königin musste das Land verlassen. In den großen Städten kam es zu Aufständen. Arbeiter:innenorganisation, vor allem Gewerkschaften, konnten sich jetzt frei bilden. Fanelli war kurz nach seiner Wahl zum Abgeordneten im Jahre 1865 für die I. Internationale gewonnen und jetzt von Michail Bakunin mit einer Reise nach Spanien beauftragt worden. Er sollte dort die jetzt überall auftretenden Arbeiter:innenvereinigungen für die Internationale und insbesondere für ihren anarchistischen Flügel gewinnen.
Zuvor hatte die Arbeiter:innenbewegung im Land aufgrund der repressiven Verhältnisse kaum Traditionen entfalten können. Doch hatte auch in Spanien der Durchbruch zur kapitalistischen Gesellschaft eingesetzt. Insbesondere in Katalonien bildete sich mit der Textilproduktion ein industrieller Sektor heraus. Insgesamt aber blieb in Spanien die Landwirtschaft dominierend, in der vor allem im Süden in extremer Weise der Großgrundbesitz vorherrschte, dem ein landloses Tagelöhner-Proletariat gegenüberstand. Zudem hatte der Süden Spaniens als Folge des Verlusts der Kolonien eine Art »Entindustrialisierung« durchlebt, die die Handwerksbetriebe und Manufakturen betraf. Sie hatten bis um 1820 den von hier aus abgewickelten Handel mit wichtigen Produkten für die spanischen Kolonien in Lateinamerika beliefert.
Somit bildeten sich zwei große soziale Konfliktherde in Spanien: das Industriegebiet vor allem in Katalonien; und das Latifundien- und Kleinhandwerkgebiet in Andalusien. Dazu sollte bald auch noch der Norden mit Bergbau und Schwerindustrie in Asturien und im Baskenland kommen, wo allerdings die besonderen politischen und sozialen Verhältnisse zur Entwicklung anderer Formen der Arbeiter:innenbewegung führen sollten.
Unter diesen Bedingungen führten die politischen Umwälzungen ab September 1868 zu einem gleichsam explosiven Aufschwung der nun in voller Legalität auftretenden sozialen Bewegungen. Da traf der Besuch von Fanelli auf neugieriges Interesse. Obwohl die Spanier:innen ihn, der neben Italienisch nur etwas Französisch sprach, kaum verstanden, wirkte sein Auftritt doch beeindruckend genug, um hier die Verbindung zwischen der europäischen Arbeiter:innenbewegung in ihrer anarchistischen Gestalt und Spanien mit dauerhafter Folge zu knüpfen.
Im Grunde genommen war es also ein Zufall, dass nun ausgerechnet ein Anhänger Bakunins der erste Abgesandte der I. Internationale war, der nach Spanien kam. Dies erwies sich jedenfalls als wirksamer als der erst drei Jahre später erfolgte Aufenthalt von Paul Lafargue, dem Schwiegersohn von Karl Marx. Er konnte nur mit Mühen in Madrid den Grundstein für eine marxistisch ausgerichtete Arbeiter:innenpartei legen, die lange Jahrzehnte gegenüber dem Anarchismus deutlich einflussloser blieb.
Die erste Phase zwischen Aufschwüngen, umgehenden Verfolgungen und inneren Differenzen
Infolge des Auftritts von Fanelli erklärten viele der Aktivist:innenen ihren Beitritt zur Internationale. In dieser revolutionären Atmosphäre gewann sie zahlreiche über das ganze Land verteilte Anhänger:innen mit Schwerpunkten in Andalusien und Katalonien. Es entstanden zahlreiche lokale Arbeiter:innen-Zeitungen. Im Jahre 1870 konstituierte sich auf einem Arbeiter:innen-Kongress in Barcelona die *Federación Regional Española de la AIT (*1) (FRE). Bereits im Mai 1872 fand ein zweiter Kongress in Saragossa statt, kurz darauf der dritte in Córdoba und im Juni 1874 der vierte in Madrid. Dies drückte nicht nur die Verbreitung der Internationale über das ganze Land weit über das industrielle Zentrum in Katalonien aus. Die Zahl der Mitglieder nahm rapide zu, wie die Zahlen für 1872 (11.500) und 1873 (40.000) beweisen.
Und obwohl sich die Revolution radikalisierte und 1873 schließlich zur Proklamation der (ersten) Republik führte, beunruhigte das Anwachsen der Arbeiter:innenbewegung ihre Gegner, nicht nur auf Seiten der monarchistischen Reaktion, sondern auch bei den bürgerlichen Republikanern. Und so verwundert es nicht, dass die FRE bereits 1874 von dieser bürgerlichen Republik verboten wurde. Auch wenn es zunächst angesichts der revolutionären Stimmung im Land wenig wirksam war - viele Arbeiter:innenzeitungen mussten allerdings ihr Erscheinen einstellen -, endete dieser spanische Revolutionszyklus Anfang 1876 mit der Wiederherstellung der Monarchie, die damit der nun folgenden Epoche der spanischen Monarchie ihren Namen gab (»La restauración«). Es waren Jahre der Reaktion, aber auch wirtschaftlicher Stabilisierung und langsamer Entwicklung, die mit der Niederlage im Krieg mit den USA im Jahre 1898 um dem Verlust der letzten überseeischen Kolonien (Kuba, Philippinen, Puerto Rico) ihren Wendepunkt erlebten. Von nun an trat das Krisenhafte in der spanischen Gesellschaft in den Vordergrund.
Zunächst hatten die spanischen Anarchist:innen durch das Ende der Republik unter einer verschärften Repression zu leiden. Die Organisationen waren in den Untergrund gedrängt, viele verhaftet oder ins Ausland geflohen. Erst das Jahr 1881 brachte nach der Legalisierung von Gewerkschaften eine Rückkehr zu einem halbwegs offenen Auftreten. Daraufhin konstituierte sich auf einem Kongress in Barcelona die Federación de Trabajadores de la Región Española (FTRE) als neuer Dachverband. Bereits auf dem zweiten Kongress in Sevilla wurde eine Mitgliederzahl von fast 60.000 angegeben. Doch das schnelle Wachstum führte auch zu inneren Konflikten. Es kam zu Auseinandersetzungen über die einzuschlagende Strategie, ob man eine Politik lokaler Aufstände verfolgen und wie man auf die einsetzende staatliche Repression reagieren solle. Als es 1882/83 aufgrund von Trockenheit und Missernten in Andalusien zu Unruhen kam, wurde eine angebliche Geheimorganisation mit dem Namen Mano Negra (»Schwarze Hand«) dafür verantwortlich gemacht. Nachdem angeblich geheime Dokumente auftauchten, die dies beweisen sollten, kam es zu Massenverhaftungen und Prozessen, in denen auch Todesstrafen und langjährige Haftstrafen verhängt wurden. Das Regime beschuldigte die FTRE, die Unruhen angeheizt zu haben. Mit Verboten belegt, löste sich schließlich 1888 auf.
In dieser Zeit hatte die FTRE auch einen heftigen innerorganisatorischen Streit durchgemacht. Dieser wurde zwischen einem »anarchokommunistischen«, an Kropotkin ausgerichteten Flügel und dem »Anarchokollektivismus« im Sinne von Bakunins ausgetragen. Während erstere auf den sofortigen Umsturz mit dem Ziel der Abschaffung des Staats drängten, orientiert am Prinzip »Jeder nach seinen Fähigkeiten und jedem nach seinen Bedürfnissen«, strebten die Anarchokollektivist:innen eine sich in Föderationen zusammenschließende Assoziation der Produzent:innenen an, die auf dem Prinzip »Jeder nach seiner Leistung« beruhen sollte. Dieser grundsätzliche Konflikt sollte von nun an die ganze Geschichte des spanischen Anarchismus durchziehen, auch wenn es immer wieder zu Modifikationen und Vermischungen zwischen den Lagern kam. Vor allem die 80er und 90er Jahre waren zunächst durch diesen Konflikt geprägt. Eine Reihe von Attentaten - nicht alle von Anarchist:innen durchgeführt - prägten vor allem den Ruf von Barcelona als »Hauptstadt der Anarchie«. Doch als Massenbewegung war der Anarchismus erst einmal an den Rand gedrängt, die FTRE Ende der 80er Jahre bedeutungslos geworden. Aus der Gründungsphase hatten sich zahlreiche kleine Zirkel und Gruppen sowie eine Reihe von Publikationen erhalten. Außerdem existierten die anarchistischen Gewerkschaften weiterhin, denen aber eine zentrale politisch-ideologische Perspektive und ein organisatorischer Zusammenhalt über einzelne Ortschaften oder Regionen hinaus fehlte.
Während der Staat in dem agrarisch-kleinstädtisch geprägten Andalusien ein vergleichsweise leichtes Spiel bei der Verfolgung der Anarchist:innen hatte, wurde Barcelona als Kataloniens Metropole und das Industriezentrum des spanischen Staates mehr als je zuvor zum organisatorischen wie intellektuellen Zentrum des Anarchismus. Dieser blieb zwar zunächst in zahlreiche Gruppen zersplittert, die sich oftmals in starken Meinungsverschiedenheiten ergingen. Diese fanden aber zunehmend im Rahmen der zumeist nach Berufen organisierten Gewerkschaften ein vereinendes Band.
Gründung der CNT und erste Schritte
Seit 1900 kam es ausgehend von Barcelona zu verschiedenen Zusammenschlüssen zwischen anarchistischen Gruppen, zuerst auf lokaler, dann regionaler Ebene und schließlich mit einem gesamtspanischen Anspruch. Den Hintergrund bildeten eine Reihe von Generalstreiks in der Stadt (z.B. um die Einführung des 8-Stunden-Tags). Die dahinter stehende Konzeption von Massenstreiks knüpfte an die Vorstellungen des revolutionären Syndikalismus in Frankreich an, der in diesem Kampfmittel den Hebel für die Arbeiter:innenkämpfe bis hin zum Sturz des Kapitalismus sah. Sie waren aber auch eine Antwort auf die politischen Bedingungen. Das System der Restaurationsmonarchie befand sich seit 1898 in offener Krise. Einerseits führte dies zum Aufschwung des katalanischen Regionalismus bzw. Nationalismus. Andererseits hatten die sozialen Konflikte in Barcelona zum Aufstand der »Tragischen Woche« im Jahre 1909 geführt, dessen unmittelbarer Auslöser Rekruteneinberufungen für das spanische Kolonialabenteuer in Nord-Marokko war. Angesichts dieser Herausforderung schloss der großbürgerliche katalanische Nationalismus die Reihen mit der Monarchie. Der Aufstand wurde mit brutaler Repression niedergeschlagen.
Vor diesem Hintergrund entstand schließlich 1910/11 die Confederación Nacional del Trabajo (CNT) als revolutionärer Gewerkschaftsbund für ganz Spanien nach dem Vorbild der französischen CGT. Die zu Beginn noch teilnehmenden linken Sozialist:innen schieden bald aus, da sie bereits über einen eigenen Gewerkschaftsbund verfügten, die Union General de Trabajadores (UGT). Diese war allerdings in Katalonien kaum präsent.
In einem weiten Sinne wurde die CNT so zu einem Synonym für den spanischen Anarchismus. Doch muss man berücksichtigen, dass es sich um einen (wenn auch revolutionären) Gewerkschaftsbund handelte. Daneben existierten die spezifischen Gruppen des Anarchismus, organisiert nach Neigungen, besonderen Interessen, ausgerichtet an einzelnen Theoretiker:innen oder besonderen Taktiken. Sie standen allenfalls in einem lockeren Austausch, was sich erst 1927 ändern sollte. Die in diesen Gruppen organisierten Anarchist:innen wirkten oft, aber nicht immer, in den Gewerkschaften der CNT, um in deren Reihen für die Sicherung der anarchistischen Prinzipien einzutreten. Aber nicht alle Aktivist:innen der CNT waren auch noch einer solchen Gruppe zugehörig. So sollte es auch bald zu einem Dualismus von Gewerkschaft CNT und anarchistischen Gruppen kommen, was zu Spannungen führen konnte. Doch das Selbstverständnis der CNT, so wie es sich immer wieder artikulierte, war anarchistisch geprägt und wurde dann auf einem Kongress im Jahre 1919 mit einem später immer wiederholten Bekenntnis zum »libertären Kommunismus« auch offiziell erklärt. Das prägte die gewerkschaftliche Praxis und das Organisationsverständnis: Anstelle gesetzlich-verbindlicher Tarifverträge wurde die »direkte Aktion« gesetzt, um Forderungen gegenüber den Unternehmer:innenn durchzusetzen. Eine hauptamtliche Gewerkschaftsbürokratie wurde abgelehnt. Lange Zeit verfügte die CNT nur über einen nationalen Sekretär und den Redakteur ihres Zentralorgans »Solidaridad Obrera«.
Die so vielfältige Entwicklung der CNT kann hier nicht in allen Einzelheiten wiedergegeben werden. Es sollen im Folgenden jedoch die wesentlichen Etappen skizziert werden, um dann auf den Höhepunkt im Bürgerkrieg einzugehen.
Die Jahre ab 1911 bis 1914 waren durch ein schnell nach der Gründung erfolgtes Verbot gekennzeichnet. Nachdem im übrigen Europa der erste Weltkrieg begann, in dem Spanien zwar neutral blieb, aber vom Handel mit beiden Kriegsblöcken profitierte, konnte sie dank der »Kriegskonjunktur« den Wiederaufbau durchführen, der ihre Dominanz in Katalonien bestätigte. Daneben bildete Andalusien einen weiteren Schwerpunkt. Darüber hinaus gab es weitere über das ganze Land verstreute Kerne, die dort aber oftmals in starker Konkurrenz mit der UGT standen.
In der Auswirkung des Weltkrieges erlebte Spanien eine inflationäre Welle, da die auswärtige Nachfrage auf Kosten des einheimischen Verbrauchs ging. Zugleich verschärften sich die politischen Spannungen durch die Weigerung der Monarchie, eine grundlegende Demokratisierung des Landes durchzuführen, insbesondere nachdem in Russland im März 1917 der Zar gestürzt worden war. So machte die Verschärfung der Spannungen im Sommer 1917 sogar eine Aktionseinheit mit den Sozialist:innen möglich. Doch der geplante Generalstreik, der auch von der parlamentarischen Opposition versucht wurde auszunutzen, scheiterte und wurde brutal niedergeworfen.
In den folgenden Jahren war auch Spanien ganz von der revolutionären Nachkriegswelle erschüttert. Die CNT gewann nun Einfluss unter Hunderttausenden und ließ dabei die UGT hinter sich. In Barcelona kam es zu jahrelangen Streikkämpfen und Gegenaktionen von Pistoleros der Unternehmer:innen, unterstützt von der Polizei. Eine Reihe von CNT-Führer:innen wurde dabei ermordet und es erfolgten zeitweilige Verbote, vor allem in Katalonien. In Andalusien kam es zu zahlreichen Landbesetzungsaktionen. Für diese Jahre von 1918 bis 1921 wurde bald der Begriff »trienio bolchevique« (das bolschewistische Jahrdritt) geprägt.
Diese Bezeichnung verwies auf das große Echo, das die bolschewistische Revolution in Spanien fand. Auch in der CNT gab es große Sympathien für die Bolschewiki. Ende 1919 beschloss ein Kongress der CNT sogar den Beitritt zur Kommunistischen Internationale. Doch bald schon sollte sich herausstellen, dass diese Begegnung von Anarchist:innen und Syndikalist:innen einerseits und Kommunist:innen andererseits aufgrund der unvereinbaren Grundsätze nicht zu einer dauerhaften Zusammenarbeit führen konnte. 1922 kam es zur Trennung vom kommunistischen Sektor, der in in den dreißiger Jahren wesentlich die Basis für die Gründung der POUM (Partido Obrero de Unificación Marxista / Arbeiterpartei der marxistischen Vereinigung) stellen sollte.
Letztlich erwies sich die Monarchie als stärker. Ende 1923 kam es zur Errichtung der vom König gestützten Diktatur des Generals Miguel Primo de Rivera. Dieser versuchte nun, sich am Beispiel des italienischen Faschismus zu orientieren. Doch tatsächlich fehlte ihm eine vergleichbare Massenbasis, damit auch die Möglichkeit zu umfassendem Massenterror, und so fiel sein Regime sieben Jahre später beim Ausbruch der Weltwirtschaftskrise zusammen.
Mit dem Aufschwung der Opposition in der Endphase der Diktatur war auch die CNT gleichsam wieder auferstanden und begleitete das Bündnis sozialistischer und republikanischer Politiker:innen. Das war aber auch von Spannungen innerhalb des spanischen Anarchismus begleitet. Gegen die Befürchtung ihrer »reformistischen Entartung« hatte sich bereits 1927 ein Zusammenschluss anarchistischer Gruppen in Gestalt der FAI (Federación Anarquista Ibérica) gebildet, die über die revolutionäre Ausrichtung der als Gewerkschaft weitaus größeren CNT wachen sollte. Dieser sich auch in scharfen Spannungen ausdrückende Dualismus zwischen beiden Organisationen sollte in den folgenden Jahren große Auswirkungen haben.
Von der Proklamation der Republik 1931 bis zum Bürgerkriegsausbruch
Die Proklamation der Republik im April 1931 war zunächst von einer breiten Unterstützung in der Bevölkerung bis hin zu Teilen der Eliten getragen worden. Doch die Gewerkschaften der CNT verlangten sehr schnell die Früchte des Siegs über die Diktatur. Es kam zu einer Reihe von Streiks, gegen die die neue Regierung, bestehend aus Sozialisten und bürgerlichen Republikanern der Sozialistischen Partei und mehreren bürgerlich-republikanischen Gruppierungen, hart vorging. Das löste einen Radikalisierungsprozess innerhalb ihrer Reihen aus. Während die FAI darauf drängte, diese Mobilisierungen zu revolutionären Aufständen auszuweiten (die hart und sehr schnell niedergeschlagen wurden), warnte der syndikalistische Sektor davor und wurde ausgeschlossen (was am Vorabend des Bürgerkriegs wieder rückgängig gemacht wurde).
Allerdings war die CNT in diesen Anfangskämpfen der Republik auf fast eine Million Mitglieder angewachsen, musste nun jedoch mit einer inzwischen vergleichbar starken sozialistischen Gewerkschaft UGT rechnen. Dabei waren die beiden Gruppen oftmals in unterschiedlichen Gebieten aktiv. Vor diesem Hintergrund kam es bereits Ende 1933 zu Neuwahlen mit einem Rechtsruck. Als im September 1934 eine klerikalfaschistische Partei in die Regierung aufgenommen wurde, war die Antwort darauf im Oktober Aufstände in Asturien und in Katalonien, getragen von einem breiten linken Bündnis, der »Arbeiterallianz«.
In Asturien, wo der Einfluss der FAI in der CNT nicht so bedeutend war und sie auch nur einen Sektor innerhalb der Arbeiterbewegung repräsentierte, kam es zum gemeinsamen Kampf. In Katalonien, wo der Aufstand von den linksbürgerlichen katalanischen Nationalist:innen (mit Unterstützung durch die antistalinistisch-kommunistischen Organisationen, die bald darauf die POUM gründeten) stark beeinflusst wurde, hielt sich die CNT unter dem Einfluss der FAI aus diesem »Kampf der Politiker« heraus. In Asturien war die CNT an der Arbeiter:innenallianz beteiligt gewesen, in Katalonien hatte sie sie abgelehnt.
Beide Bewegungen wurden niedergeschlagen. In Asturien, wo es zu wochenlangen Kämpfen kam, setzte die Regierung ihre kampfstärksten Einheiten aus der spanischen Kolonie Marokko unter Oberbefehl des Generals Franco ein, während in Katalonien die Bewegung durch die ablehnende Haltung der CNT schnell zusammengebrochen war. Durch das ganze Land ging eine große Repressionswelle mit 30.000 Verhaftungen, zahlreiche Sozialreformen wurden zurückgenommen, insbesondere die Agrarreform usw. Doch die Arbeiter:innenbewegung ganz zu zerschlagen, dazu reichte die Kraft des Militärs noch nicht aus. So kam es schließlich Ende 1935 nach einer Reihe von Korruptionsskandalen zu Neuwahlen.
Diesmal gelang die Bildung eines breiten Bündnisses aus bürgerlich-republikanischen und linken Parteien (»Volksfront«), das im Februar 1936 die Wahlen gewann. Es kam zu einer auf die neue Mehrheit gestützten Regierungsbildung, vor allem aber zu einer breiten gesellschaftlichen Mobilisierung, die zur Befreiung der Gefangenen und zur Wiedereinstellung der Entlassenen und vor allem zu Streiks und Landbesetzungen führte.
Daraufhin beschlossen Teile des Militärs in Absprache mit den rechten Parteien und in Kontakt mit Mussolinis Italien zu putschen. Dieser Putsch begann am 17. Juli 1936 in Spanisch-Marokko. Doch er führte nicht wie geplant zu einem schnellen Sieg. In wichtigen Städten wurde er durch die »Macht der Straße«, d.h. der Gewerkschaften und der linken Parteien, zurückgeschlagen, denen die republikanische Regierung mit dem Rücken zur Wand Waffen ausgehändigt hatte, nachdem sie die bestehenden Armeestrukturen, Träger des Putsches, aufgelöst hatte. Überall bildeten sich so Arbeiter:innenmilizen, die zusammen mit den wenigen loyal zur Republik stehenden Einheiten kämpften.
Spanien im Bürgerkrieg: Die soziale Revolution des Sommers 1936, ihre Beseitigung im Namen der Republik und der Sieg Francos im Frühjahr 1939
Doch nicht im ganzen Land war die Niederschlagung des Putsches erfolgreich. So begann ein dreijähriger Bürgerkrieg, den schließlich das Militär unter Franco gewinnen sollte. Denn es verfügte über die unbegrenzte Unterstützung v.a. durch Nazi-Deutschland und das faschistische Italien, während die Republik nur eine begrenzte Hilfe durch die Sowjetunion erhielt und von den westlichen Mächten Großbritannien und Frankreich boykottiert wurde. Diese proklamierten eine Politik der »Nicht-Intervention«, d.h. verweigerten der Republik die Unterstützung und ignorierten dabei aber die Hilfe der faschistischen Staaten für Franco. Begründet wurde dies damit, dass der Putsch angeblich einer Revolution zuvorkommen sollte, die Linke mit der Unterstützung Moskaus vorbereitet hätten. Tatsächlich löste erst die Niederschlagung des Putsches, dort wo sie gelang, eine soziale Revolution aus.
So kam es zu einer breiten Kollektivierungsbewegung sowohl auf dem Land wie auch in der Industrie, die ganz wesentlich, wenn auch nicht ausschließlich, von den Anarchist:innen getragen war. Große Teile der Latifundien wurden in agrarische Kollektive verwandelt. In der Industrie übernahmen v.a. in Katalonien Komitees aus Gewerkschaftsvertreter:innen die Betriebe, während allerdings außerhalb Kataloniens, z.B. in Madrid oder Valencia, die Regierung dies unmöglich machten, indem sie sie unter Staatskontrolle stellte.
In dieser Situation spielten die CNT und die FAI in den ersten Monaten insbesondere in Katalonien eine hegemoniale Rolle. Dagegen erfüllten die in den Augen der Westmächte vermeintlichen Drahtzieher, die Kommunist:innen, tatsächlich eher eine blockierende Funktion, die sie mit außenpolitischen Rücksichtnahmen, ganz im Sinne der Stalin'schen Außenpolitik, begründeten. Die soziale Revolution ging dort, wo sie die Lage innerhalb des republikanischen Gebiets bestimmte, aber auch tiefer, über die Ökonomie hinaus bis hin in die gesellschaftlichen Strukturen des Alltagslebens, z.B. in den Bemühungen zur Befreiung der Frauen, der Schaffung eines neuen Bildungswesens, in dem die Kirche nichts mehr zu sagen hatte, die vor allem in den ersten Monaten scharf unterdrückt wurde.
Das alles wurde abgesichert durch die Macht der Milizen. Diese revolutionäre Atmosphäre des Sommers 1936 ist in zahlreichen Augenzeugenberichten beschrieben, die auch heute noch weit verbreitet sind, und auch in Filmen dargestellt worden, etwa von Ken Loach in »Land and Freedom«. Die Kollektivierungsbewegung, so tief sie ging und so breit ihre Unterstützung auch war, verlief allerdings nicht ohne Probleme, die etwa aus betrieblichen Beschränkungen entstanden, und erlebte auch schnell Gefahren durch Bürokratisierung. Während in Katalonien diese Entwicklung zu legalisieren versucht wurde, verhielt sich die republikanische, dann ab September sozialdemokratisch geführte Zentralregierung in Madrid ablehnend, da sie grundsätzlich gegen eine sozialrevolutionäre Perspektive war. Aber bald wurden die Auseinandersetzung darum sowieso durch die Erfordernisse der Umstellung auf Kriegsproduktion überschattet, wobei die Madrider Regierung durch ihre Kontrolle der Finanzen am längeren Hebel saß.
Und die anarchistische Bewegung in diesen drei Jahren?
Doch letztlich war die zentrale Frage der Revolution die nach der politischen Macht, auch wenn man sie - als Ziel - abschaffen wollte. Vor dieser Frage standen CNT und FAI nach dem 19. Juli in Barcelona, als dort die Militärs besiegt waren und die Anarchist:innen, gestützt auf die Milizen, faktisch die Macht in den Händen hielten. Auf einer Konferenz am 23. Juli in Barcelona standen sich zwei Konzeptionen gegenüber: »Ir a por el todo« - aufs Ganze gehen, d.h. die Macht übernehmen - oder antifaschistische Zusammenarbeit mit allen republikanischen Sektoren. Am Ende entschied man sich für letzteres.
Begründet wurde dies mit der Notwendigkeit der Kriegsführung. Es war vor allem die Hoffnung darauf, die angesichts der faschistischen Intervention notwendige internationale Unterstützung zu erhalten. Dafür wurden mehr und mehr Zugeständnisse gemacht, indem der revolutionäre Charakter der Ereignisse heruntergespielt wurde, aber auch z. B. auf die Mobilisierung für einen Aufstand in Nordmarokko verzichtet wurde, wo Franco in der Anfangszeit einen Großteil seiner Soldaten rekrutierte. Doch die erhoffte Hilfe sollte nur beschränkt und nur von der Sowjetunion kommen, während Franco alle Hilfe, die er benötigte, von Hitler und Mussolini erhielt.
So ging trotz heftigen Widerstands der Republik, trotz einzelner militärischer Erfolge, die aber niemals verstetigt werden konnten, schließlich Anfang 1939 der spanische Bürgerkrieg verloren. Hunderttausende flohen nach Frankreich. All diejenigen, denen das nicht gelang, wurden Opfer einer blutigen Repression. Und, ein wichtiger Aspekt, mit der Niederlage der Republik war der Weg frei für den Zweiten Weltkrieg.
Von Juli 1936 bis Juni 1937 stellte die CNT einen bedeutenden Machtfaktor dar. Im September trat sie dann sogar im Namen der antifaschistischen Einheit in die katalanische, im November in die zentralspanische Regierung ein. Ihre verschiedenen Sektoren wuchsen, also nicht nur die Gewerkschaft CNT, sondern auch die FAI und vor allem die Jugendorganisation FIJL. Am Vorabend des Bürgerkriegs hatte sich auch eine anarchistische Frauenorganisation gebildet, die »Mujeres Libres«, die allerdings nie offiziell von der CNT und FAI als gleichberechtigte Organisation anerkannt wurde.
Mit dem Wachstum der Organisation entstand auch ein Apparat. Trotz antibürokratischer Maßnahmen (z.B. Gehaltsbeschränkungen) war das ein Faktor, der zu Konflikten führen musste, zumal als die Regierungen begannen, die revolutionären Strukturen zu beseitigen. Die Konflikte zeigten sich zuerst bei den Milizen im Winter 1936/37. Es artikulierte sich eine innere Opposition (z.B. in der Jugendorganisation oder in der Gruppe »Los Amigos de Durruti«). Doch sie konnte sich nicht gegen die Führung durchsetzen.
Letztlich ging es um die Frage: Waren Krieg und Revolution verbunden oder musste man die Revolution erst einmal zurücknehmen und sich ganz auf die Kriegsführung konzentrieren? Zum ersteren tendierten neben den Anarchist:innen auch noch die POUM und Teile des linken Flügels der Sozialist:innen, zum letzteren die bürgerlichen Republikaner:innen, der rechte Flügel der Sozialist:innen und die Kommunist:innen, die wegen der sowjetischen Waffenlieferungen - fast die einzige Waffenquelle der Republik - über einen großen Einfluss verfügten.
Im Mai 1937 kam es so zu einem Zusammenstoß in Barcelona. Doch vor allem die CNT-Führung drängte auf den Abbruch der Kämpfe aus Rücksicht auf die Kriegsführung.
In der Folge wurden die beiden Regierungen in Barcelona und Madrid gestürzt, die Anarchist:innen praktisch rausgedrängt und die POUM, unterstützt vom sowjetischen Geheimdienst, als angebliche Trotzkisten unterdrückt. Da sich auch die internationale Lage immer mehr verschärfte, konnte die Republik praktisch nur noch Rückzugsgefechte durchführen. Anfang 1939 war sie besiegt und es begann die fast 50-jährige Franco-Diktatur.
Nach der Niederlage die Flucht und der Beginn des Widerstands in Spanien: Die langen Jahrzehnte der Diktatur
Mit den geschlagenen Republikaner:innen flohen auch Tausende von Anarchist:innen ins Exil nach Frankreich (und von dort z.T. weiter nach Lateinamerika). Doch die meisten blieben in Frankreich und waren damit ab 1940 Gefangene Hitlers oder zumindest des Kollaborationsregimes Vichy. Die anarchistische Bewegung überlebte zwar in der Résistance und begann ab 1942/43 auch eine Reorganisation in tiefster Illegalität in Spanien. Doch die Hoffnungen am Ende des Weltkriegs, dass auch das Franco-Regime fallen würde, erwiesen sich als waren Illusion. Zunehmend erwies sich das Regime aufgrund der internationalen Situation im »Kalten Krieg« und vermittels seiner harten Repression als »resistent«.
Innerhalb der anarchistischen Bewegung brach eine heftige Strategiedebatte aus: Sollte man verstärkt auf die Zusammenarbeit mit den anderen Kräften setzen wie vor 1939 - was vor allem im »Inland« vertreten wurde - oder zu einem eigenständigen revolutionären Kurs zurückkehren? So kam es 1945 zur Spaltung, die vor allem im Exil wirksam war. Doch in Spanien wurde die Bewegung durch die scharfe Repression unterdrückt. Einzelne Sektoren setzten zunächst noch auf einen bewaffneten Kampf. Der erwies sich spätestens in den fünfziger Jahren als nicht mehr durchführbar. Auch Streiks waren strikt verboten.
Ende der Fünfziger Jahre setzte ein großer Wirtschaftsaufschwung ein, der das ganze Land veränderte. Spätestens damit einher ging auch in Spanien ein Generationswechsel. Die neue Generation wusste, vereinfacht gesagt, fast nichts von den historischen Traditionen, während die alte aus Angst vor der Repression schwieg.
Als dann ab den frühen Sechzigern eine neue Arbeiter:innenbewegung in Gestalt der »Arbeiterkommissionen« entstand, war die CNT im Exil nicht in der Lage, eine wirkliche Verbindung zu diesen aufzubauen. Diesen Weg sollte allerdings v.a. die KP finden, die daraufhin in Spanien zur stärksten antifrankistischen Kraft wurde, weswegen die frankistische Staatsgewerkschaft sogar alte Anarchist:innen als Gegenkraft gegen die KP suchte, was aber weitgehend erfolglos blieb.
Zwar kam es 1961 zu einer Wiedervereinigung zwischen den beiden Flügeln der CNT. Man startete auch Initiativen gegenüber dem Inland (»Defensa interior«) und plante z.B. Attentate gegen Franco. Nach deren Scheitern konzentrierte man sich wieder aufs Exil. Eine Rückorientierung auf Spanien - mit der Bildung der Gruppierung »Frente Libertario« - änderte nichts grundlegend daran, dass der spanische Anarchismus seine Massenbasis verloren hatte und nur noch in einem beschränkten Kreis in Spanien ein Echo fand.
An den Rand gedrängt, aber weiter aktiv. Die CNT in der »transición« (dem Übergang) nach dem Tod Francos hin zur parlamentarischen Monarchie
Auch der Tod des Diktators im November 1975 und das Ende seines Regimes sollten daran nichts grundlegend ändern. Zwar kam es ab 1976/77 zur Rückkehr der CNT bzw. dem Auftauchen aus der Illegalität. Eine Reihe von Massenveranstaltungen konnten abgehalten werden und die CNT machte sich in einigen Streiks als Gegner:in der Sozialpakt-Politik der kommunistischen und sozialistischen Gewerkschaften bemerkbar. Zugleich war eine breitere libertäre Gegenkultur entstanden, v.a., aber nicht nur, in Barcelona. (Diese entsprach ungefähr dem deutschen »Alternativ-Milieu«, bezog sich aber viel stärker auf die anarchistischen Traditionen des Landes.)
Die »transición« ab 1977, wie dieser Prozess in Spanien genannt wurde, verlief zwar durchaus nicht so konfliktfrei, wie das gerne erzählt wird. In dieser Zeit schien die CNT wieder ein möglicher Anziehungspol zu werden. Prompt kam es im Rahmen einer Demonstration in Barcelona im Jahre 1979 zu einer Provokation: Die CNT wurde beschuldigt, für einen Angriff mit Molotov-Cocktails und damit für einige Tote verantwortlich zu sein. Entsprechende Repressionen setzten ein. Doch mehr noch brach die CNT aufgrund interner Gegensätze im selben Jahr auseinander, welche ein gewisses Echo früherer Diskussionen darstellten.
Es bildeten sich zwei CNTs: Die eine, die schließlich per gerichtlicher Verfügung ihren Namen in Confederación General del Trabajo (CGT) ändern musste, ist stärker gewerkschaftlich orientiert, arbeitet z.B. in Betriebsräten mit. Sie ist aber eine Minderheits-Gewerkschaftszentrale, wenn auch mit einigen Schwerpunkten (z.B. Metro in Barcelona, SEAT). Die andere mit dem alten Namen CNT-AIT ist stärker »alternativ-kulturell« orientiert. Wenn sie als Gewerkschaft auftritt, dann ähnlich wie die FAUD in sehr prekären Sektoren (z.B. bei den »riders« in der Auslieferung).
Beide verfügen über Stiftungen, die sich um die »Traditionspflege« kümmern, da natürlich beide für sich das anarchistische Erbe in Anspruch nehmen.
Weit davon entfernt verschwunden zu sein, verkörpern sie zusammen genommen heute doch nur eine gesellschaftliche Minderheitenströmung, wenn auch mit einer kontinuierlichen Präsenz. Allenfalls bei gelegentlichen plötzlichen Konflikten erscheinen sie auch in der breiten Öffentlichkeit als ein Faktor, allerdings mit einer großen Tradition. Ob sie daraus aber Kraft für mögliche zukünftige Konflikte schöpfen können, wird sich erst in Zukunft erweisen.
Anmerkungen
(1) Asociación Internacional de Trabajadores - Internationale Arbeiterassoziation = I. Internationale
Einige Literaturhinweise
Die Veröffentlichungen zum spanischen Anarchismus sind inzwischen fast unübersehbar. Der Spannungsbogen reicht von politischer Literatur bis zu akademischen Werken, was nicht immer strikt zu trennen ist. Die meisten davon sind jedoch auf spanisch oder katalanisch verfasst. Auf Deutsch sind die Veröffentlichungen überschaubar.
- Bernecker, Walther L.: Anarchismus und Bürgerkrieg: Zur Geschichte der Sozialen Revolution in Spanien 1936-1939, Hamburg 1978 [Neuauflage Nettersheim 2006] (immer noch maßgebliche Studie über die Jahre des Bürgerkriegs)
- Bernecker, Walther L.: Kollektivismus und Freiheit. Quellen zur sozialen Revolution im Spanischen Bürgerkrieg 1936 - 1939, München 1980. (Sammlung zeitgenössischer Dokumente)
- Bernecker, Walther L.: Arbeiterbewegung und Sozialkonflikte im Spanien des 19. und 20. Jahrhunderts, Frankfurt 1993. (Bietet einen allgemeinen und sehr verdichteten Gesamtüberblick über die spanische Arbeiterbewegung, in der die Anarchist:innen einen Teil darstellen, endet mit den ersten Jahren der Nach-Franco-Zeit)
- Bookchin, Murray: The Spanish anarchists. The heroic years 1868 - 1936, New York 1977 [Neuauflage Edinburgh 1998] (Zeitspanne bis zum Bürgerkrieg)
- Enzensberger, Hans Magnus: Der kurze Sommer der Anarchie. Buenaventura Durrutis Leben und Tod. Roman, zuerst Frankfurt 1972. (Roman aus einer Montage von Originalquellen und Interviews)
- Peirats, José: The CNT in the Spanish Revolution, 3 Bde., Hastings 2001 - 2006. (ursprünglich von der Exil-CNT angeregte, aber keineswegs "offiziöse" sehr breite Darstellung, ins Englische übersetzt und Erläuterungen versehen)
- Termes, Josep: Historia del anarquismo en España (1870 - 1980), Barcelona 2011. (sehr umfangreiche Gesamtdarstellung, liegt auf spanisch und katalanisch vor)
- Torres, Maggie: Anarchism and Political Change in Spain. Schism, Polarisation and Reconstruction of the Confederación Nacional del Trabajo 1939-1979, Brighton 2019. (beleuchtet die Nach-Bürgerkriegszeit mit den Folgen der Repression sowie der Fraktionierung und dem Scheitern nach dem Tod Francos, wieder Massenorganisation zu werden)
- Tosstorff, Reiner: Barcelona 1917 - 1923. Zwischen militanten Streiks und Pistoleros, In: Marcel Bois - Frank Jacob (Hg.), Zeiten des Aufruhrs (1916 - 1921), Berlin 2020, S. 271- 298
- Tosstorff, Reiner: Der spanische Anarchismus nach 1939 in der französischen Résistance und im innerspanischen Widerstand, In: Andreas G. Graf (Hg.), Anarchisten gegen Hitler, Berlin 2001, S. 189 - 209.
Beide aus der »alten« CNT hervorgegangenen Gewerkschaftszentralen verfügen jeweils über eine Stiftung (Fundación Anselmo Lorenzo bzw. Fundación Salvador Seguí), die sehr rührig sind in der Sammlung von Quellen und Nachlässen und in der Publikation von Darstellungen, aber auch von Memoiren. Des Weiteren existieren auch kleinere anarchistische Geschichtsinitiativen, die leicht über das Internet gefunden werden können, sowie eine Reihe von Institutionen des Wissenschaftsbetriebs und von spezialisierten Bibliotheken. Zahlreiche historische Zeitungen sind heute digitalisiert und im Internet abrufbar.