Kantine »Festival«

»Nicht weniger als die Pariser Commune« – Omar Aziz und die lokalen Räte in Syrien 2011


Almut Woller

Almut Woller hat 2024 ihre Doktorarbeit eingereicht: »Remembering Anarchism in the Arab Spring in digital media – Omar Aziz and the Syrian local council movement«,die unter creative commons im Internet veröffentlicht ist. Ursprünglich hatten wir mit Almut Woller einen Workshop zum Thema auf der Kantine »Sabot« geplant, der dann leider nicht stattfinden konnte. Die Redaktion freut sich um so mehr, nun einen Beitrag zum Thema in Textform präsentieren zu können.

Viele Linke wissen (halbwegs) Bescheid darüber, dass Kurd:innen in Nord-Ost-Syrien ein revolutionäres Projekt in Gang gebracht haben. Verhältnismäßig wenige Linke wissen, dass es in Syrien parallel dazu eine weitere Rätebewegung gab. Diese syrische Rätebewegung begann Ende 2011, nachdem Syrien wie andere arabische Länder auch vom Arabischen Frühling erfasst wurde. In Syrien verwirklichten manche Räte über Jahre hinweg lokale Selbstregierung, trotz anhaltender Gewalt. Es würde sich für Linke lohnen, sich mehr für die syrische Revolution zu interessieren. Nicht aus Mitleid etwa, weil sich Syrien zur größten humanitären Katastrophe im 21. Jahrhundert entwickelt hat, sondern weil sich einiges darüber lernen lässt, wie sich in Revolutionen Räte bilden können, was sie ausmacht, woran sie scheitern können. Das ist auch deshalb so wichtig, weil Rätedemokratie nach wie vor die einzig wünschbare Alternative zur real-existierenden repräsentativen Demokratie bildet. Omar Aziz, ein Hauptprotagonist in den syrischen Räten, knüpfte explizit an eine linke, anarchistische Tradition an. Kurz vor seiner Verhaftung Ende 2012 sagte er: »Wir sind nichts weniger als die Pariser Commune: Sie hielten 70 Tage durch und wir machen nach eineinhalb Jahren immer noch weiter.« Das sind große Worte, wo doch die Pariser Commune von 1871 in allen kommunistischen und anarchistischen Strömungen eine ikonische Bedeutung hat und als ein früher Versuch von Rätedemokratie gilt. Räte sind seit Mitte des 19. Jahrhunderts ein fester Bezugspunkt für Anarchist:innen gewesen (denn Anarchismus war weitgehend identifiziert mit der Arbeiter:innenbewegung), wurden im Anarchismus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eher in den Hintergrund gedrängt (denn Anarchismus koppelte sich verstärkt an post-moderne Theorieentwicklung) und erhalten erst jüngst wieder mehr Aufmerksamkeit innerhalb anarchistischer Debatten (denn möglicherweise/hoffentlich wendet sich Anarchismus wieder stärker Fragen von gesellschaftlicher Steuerung zu). (a) In diesem Beitrag möchte ich einen Überblick darüber geben, was die Räte in Syrien ausgemachte und was Omar Aziz in ihnen sah. Denn er betonte die Funktionsweise von Räten auf eine Art, die unser linkes Verständnis von »Was ist und wie funktioniert Revolution – was sind Räte?« schärfen und inspirieren kann. Deshalb versuche ich punktuell Verbindungen zwischen den syrischen Räten und der Rätetheorie deutlich zu machen.(b) Darunter sind vor allem auch Interviews mit Sami Al-Kayial, einem Weggefährten von Omar Aziz. (c)

In Tunesien und Ägypten hatte seit Dezember 2010 eine spontane Massenbewegung eine Revolutionswelle ausgelöst, die wir heute Arabischer Frühling nennen. Diese schwappte im März 2011 nach Syrien über. In den folgenden Monaten passierten Dinge, die von den meisten Syrer:innen für unmöglich gehalten wurden. Hunderte Lokale Koordinationskomitees (tansiqiyyaat) entstanden. Hier schlossen sich vor allem Jugendliche, aber auch Ältere, Frauen, Männer zusammen und organisierten Proteste, dokumentierten alles, teilten es mit der Welt und vernetzten sich über das ganze Land. Das war eine vollkommen spontane Basisorganisierung, die das Regime das Fürchten lehrte: Menschen entwickelten Handlungsfähigkeit in einem Kontext von jahrzehntelang erlernter Ohnmacht. Etwa sechs Monate gingen ins Land, bis sich herauskristallisierte, dass die Regierung eher geneigt war alles niederzuschießen als jemals abzudanken (anders als in Tunesien und Ägypten, wo sich das Militär geschlossen gegen die Regierung stellte). Nachdem Communities gezwungenermaßen zu den Waffen griffen – zunächst nicht, um Territorium zu gewinnen, sondern um das Weitergehen der Revolution zu ermöglichen und sich zu schützen –, nachdem klar geworden war, dass von der alteingesessenen Opposition nichts zu erwarten war, und zu einer Zeit, als die Islamisten noch keine große Macht darstellten, begannen einige in Syrien zu überlegen, wie sie die kommende Zeit nicht nur überleben, sondern die Revolution retten könnten. Einer von ihnen war Omar Aziz, Anfang 60, studierter und weitgereister Ingenieur mit einer Leidenschaft für Schriften von Baruch Spinoza, Michael Hardt und Antonio Negri, Gilles Deleuze, Walter Benjamin, Giorgio Agamben und Rosa Luxemburg; mit einem Hang zum Anarchismus, ohne dass es ihm auf dieses Label ankam – jedenfalls ein anti-autoritärer Intellektueller, der sich voller Begeisterung in revolutionäre Basisarbeit stürzte. Nach ersten Versuchen mit politischen Weggefährten, lokale Zusammenhänge aufzubauen, brachte er unter Aktivist:innen einen Text mit einem klaren Vorschlag in Umlauf: Bildet lokale Räte (majalis mahalliyya)! Aziz sah folgendes Problem in der Revolution: Ein halbes Jahr nach Beginn lief ein großer Teil des Lebens weiterhin innerhalb staatlicher Strukturen ab – Kinder gingen weiter in die Schulen des Regimes, starb ein Angehöriger oder wurde ein Baby geboren, so wurde dies in staatlichen Registern eingetragen, die Menschen mussten ihr Geld nicht selten als Staatsbeamt:innen verdienen, und alle waren angewiesen auf die öffentliche Daseinsvorsorge, die das Regime bereitstelle (medizinische Versorgung, Sozialleistungen, Müllentsorgung etc.). Das Weiterleben in diesen Strukturen nannte Aziz »die Zeit der Autorität«. Damit aber die Revolution Erfolg haben könnte und sich nicht in täglichen Demonstrationen totlief, müsste gerade das alltägliche Leben in eine neue Logik integriert werden – dies nannte Aziz die »revolutionäre Zeit«. Diese »tägliche Arbeitsteilung« im Leben der Revolutionäre (von 9-17 Uhr in der Zeit der Autorität zu leben und abends und am Wochenende in der revolutionären Zeit) könnte nur überwunden werden, wenn die Revolution Institutionen bekäme, in denen die Leute perspektivisch ihr Alltagsleben organisieren könnten. (d) Er unterbreitete eine Reihe ganz praktischer Vorschläge, was diese neuen »sozialen Formationen« tun sollten: zum Beispiel die Schulen am Laufen halten, medizinische Versorgung und Sicherheit vor Plünderungen organisieren, Leuten aus den Trümmern helfen, Koordination mit bewaffneten Gruppen leisten, die Versorgung mit allem Notwendigen organisieren, und sich dem wachsenden psychischen Leiden widmen.

Praktischerweise taten das ohnehin schon Tausende in Syrien, ohne Aziz‘ Text zu kennen, denn lokale Räte zu gründen erschien schlicht und ergreifend als das einzig Sinnvolle. Es ging – wie das übrigens in fast allen Revolutionen ist – darum, die unmittelbar anstehenden Aufgaben zu bewältigen, die der Staat oftmals nicht mehr erledigte. Und so entstanden intuitiv innerhalb von Monaten fast 1000 lokaler Räte, also praktisch in jedem Dorf, jeder Stadt, jeder Nachbarschaft, überall in Syrien. Ab 2013 wurden sie oft von islamistischen Milizen unterwandert oder aufgelöst – trotzdem schafften es Communities vor Ort auch immer wieder, sich gegen Islamisten zu behaupten oder zerstörte Räte neu aufzubauen. Weil die Menschen ihre lokale Selbstorganisation intuitiv und spontan auf die Beine stellten, waren nie alle Räte gleich, es kam auf die Gegebenheiten vor Ort an. Die grundlegende Struktur war immer, dass sich einige Leute zusammentaten und die Verantwortlichkeiten für Aufgaben unter sich verteilten. Politische Ansichten spielten keine Rolle bei der Frage, wie der bald schon schrecklich stinkende Müll von der Straße entsorgt werden sollte, wie Wasser und Abwasser organisiert werden sollten und wer und wie die Stromleitung reparieren würde. Die Aufgaben wandelten sich über die Monate: Zunächst ging es ums Überleben (z.B. Versorgung mit Nahrung, Medizin, Unterkünfte, Sicherheit), dann aber mehr und mehr auch um die Wiederherstellung von einer Art Alltag und Normalität (Infrastruktur am Laufen halten; juristischen Zank unter Nachbarn klären; Bildung für Kinder etc.). Wichtiger aber als das, was die Räte tun sollten, war das Wie. Denn im Grunde ging es Aziz darum, soziale Räume zu schaffen, in denen Menschen jenseits von Staat, Parteien und Führungsfiguren eine individuelle und kollektive Selbstwirksamkeit erfahren konnten.

Was die lokalen Räte als speziell linke Institutionen ausmacht, lässt sich in vier Bereichen erfassen, die im Übrigen auch anarchistische Kerngedanken sind. Sich die syrischen Räte in diesen vier Bereichen genauer anzuschauen ermöglicht es, manche rätetheoretischen Gedanken zu aktualisieren, zu schärfen oder auch herauszufinden, was Rätetheorie bislang vielleicht zu wenig auf dem Schirm hat.

1. Räte als Orte von individueller und kollektiver Selbstwirksamkeit

»Wer hätte gedacht, dass einfache Leute die Abiprüfungen managen oder die Stromleitungen reparieren könnten?« (Mitglied in einem lokalen Rat in Yabroud, 2014 (4)) Solche Momente, in denen Menschen über sich selbst hinauswuchsen und innerhalb von Wochen enorme Lernerfahrungen machten, gab es millionenfach. Aziz’ Freund Sami Al-Kayial erinnert sich, dass »im Laufe des ersten Jahres die Menschen auf fantastische, wirklich fantastische Weise in der Lage waren, die anstehenden Aufgaben zu bewältigen«. Über solche Lernerfahrungen hinaus begannen Menschen durch die Erfahrungen von Kooperation in alltäglichen Belangen Misstrauen und identitäre Borniertheit abzubauen. So hatte es Aziz sich auch gedacht: Aus der gemeinsamen Organisierung des Lebensnotwendigen könnten neue Beziehungsweisen und kollektive Autonomie entstehen – »der Stoff, aus dem Freiheit gemacht ist« (Aziz, s. (3)). Indem lokale Selbstorganisierung das Tagesgeschäft der Räte war, brachen die Räte mit den wesentlichen Prinzipien von repräsentativer Demokratie: Anstatt Vertreter:innen zu wählen, die irgendwelche Interessen der Wähler:innen vertreten (oder eben auch nicht vertreten) würden, regeln die Leute ihre Angelegenheiten selbst. Anstatt politische Fragen zu debattieren, ging es um Sachentscheidungen. Und anstatt das Entscheiden politischen Expert:innen zu überlassen, de-professionalisierten die Menschen die Politik – jede:r konnte sich einbringen. Aziz forcierte diese maximale Offenheit der Räte, in denen er mitwirkte. Weil die Leute aber in der Regel keine geschulten Anarchist:innen und Rätetheoretiker:innen waren (und auch in zukünftigen Revolutionen niemals sein werden), gab es eine große Ambivalenz und auch ein Durcheinander von unterschiedlichen (un)demokratischen Praktiken in den Räten. Mal setzte sich der Rat einfach aus allen Interessierten zusammen, mal wählten alle Erwachsenen eines (wie auch immer festgelegten) Gebietes einen Rat (also doch Repräsentation?), mal wurde eine Generalversammlung bestimmt, die dann einen Rat wählte, und diese Generalversammlungen setzten sich selten gleich zusammen. Die Frage, wer das Recht hatte, mitzuentscheiden, wurde unterschiedlich beantwortet: Einflussreiche Familien? Leute mit revolutionärer Glaubwürdigkeit? Vertreter von Zivilgesellschaft? Religiöse Vertrauenspersonen? Rechtsexperten? Auch Frauen? Linke müssen sich darauf gefasst machen, dass in Revolutionen unterschiedlichste Vorstellungen auftauchen, wer warum und wie entscheiden soll. (8) Wird gewählt? Ist das dann schon repräsentative Demokratie? Oder kommt es auf die Kürze der Zeitspanne an? Gibt es zusätzliche Repräsentation von Nachbarschaften in einer Art Delegiertensystem, so z.B. in der Kleinstadt Darayya: »Die Stadt ist in 14 Kommittees aufgeteilt und jedes Komitee ist verantwortlich für 150-200 Familien (…) um die Botschaften von Bürgern an den lokalen Rat weiterzuleiten und Informationen vom Rat an die Nachbarschaften zu verteilen.« (5) Rätedenker:innen wie Murray Bookchin, Hannah Arendt und Cornelius Castoriadis, aber auch die Zaptistas in Mexiko pochen darauf, dass das Wesentliche an einer Räte-Selbstregierung die Versammlung ist. Das macht auch Sinn, denn es geht doch darum, Demokratie auszuweiten und so viele Menschen wie möglich an der Entscheidungsfindung und Mitbestimmung teilhaben zu lassen. Und – etwas theoretisch gesprochen – geht es darum, das »konstituierende Moment«, das so charakteristisch für Revolutionen ist (››jetzt kann alles verändert werden!‹) auch in die Zeit nach der Revolution hinüberzuretten. Ist die Macht erst einmal ››konstituiert‹, dann hat man eine feststehende Verfassung (›Konstitution‹). Während man in unseren Demokratien zum Verfassungsfeind wird, wenn man Grundlegendes ändern möchte, muss es in einer Rätedemokratie gerade möglich sein, immer wieder alles ändern (neu ›konstituieren‹) zu dürfen, wenn die Menschen es für wünschenswert halten. (6) Assemblies, Versammlungen waren auch bei Occupy der zentrale Ausdruck des Wunsches nach Veränderbarkeit, und sie sind das Zentrale in der Anfangsphase jeder Revolution. Wie aber in einer Rätedemokratie entschieden werden soll und von wem, ist alles andere als geklärt. Die Zapatistas haben dafür das – nach meiner Kenntnis – am besten durchdachte System entwickelt (7). In Syrien spricht vieles dafür, dass Räte sich oft eine gewisse Flexibilität und Veränderbarkeit bewahrt haben. Sie wurden teilweise von den Communities abgesetzt, wenn diese unzufrieden waren; die ››Amtszeiten‹ von Räte-Verantwortlichen waren vergleichsweise kurz (durchschnittlich ein Jahr).

Politikberatungsagenturen, internationalen NGOs und auch der syrischen Exil-Opposition war bewusst, dass die lokalen Räte herausragend wichtige demokratische Graswurzelinstitutionen waren. Sie setzten vieles daran, die Räte in eine top-down-governance-Struktur zu integrieren, die letztlich auch wieder einen ganz normalen Staat mit parlamentarischer Demokratie hervorbringen würde – allemal besser als Assads Regime, aber eben etwas ganz anderes als eine Rätedemokratie. Deshalb waren ihnen solche ineffizienten und undurchsichtigen Verfahren von Wahlen, Versammlungen, Flexibilität eher ein Dorn im Auge. Aus linker Sicht ist festzuhalten: Effizienzkritik sowie formale Kritik an Wahlverfahren kann uns herzlich egal sein, nicht aber gute Begründungen für Entscheidungsfindungsstrukturen. (e)

2. Aushebelung des Staates durch Räte: Gewaltenteilung anders organisieren

Die meisten Syrer:innen, die in den Räten aktiv waren, waren sich sicherlich nicht bewusst, dass Räte potenziell den Staat aushebeln und auf eine andere Art von Demokratie jenseits von Staatlichkeit abzielen können. Für die meisten waren die Räte vermutlich eine Art Übergangsinstitution auf Graswurzelebene, die dann in einen entstehenden Staat unter neuen politischen Vorzeichen integriert werden könnten. Aziz selbst und seinen Weggefährten war hingegen sehr bewusst, dass die lokalen Räte das Zeug dazu hatten, die Gesellschaft auf lokaler Ebene zu demokratisieren. Sie hatten die explizite Hoffnung, dass die Räte in einer kommenden neuen Ordnung zumindest ein basisdemokratisches Gegengewicht zum Staat bilden könnten. Ob und wie der Staat ausgehebelt werden kann, entscheidet sich vor allem auch auf einer institutionellen Ebene, also in der Frage, wie die Räte funktionieren. In der bürgerlichen Demokratie gilt die Gewaltenteilung zwischen Exekutive (wer führt aus?), Legislative (wer entscheidet?) und Judikative (wer spricht Recht?). Typischerweise wird diese Gewaltenteilung in Räte-Revolutionen aufgehoben und – mehr oder weniger bewusst – reorganisiert. Während sich eine Demokratisierung und Umorganisierung der ››Judikative‹ recht leicht vorstellen lässt (Richter:innen werden gewählt, im Bereich Strafrecht entstehen Komitees zur Bearbeitung von Konflikten), ist es bei der Legislative und Exekutive schwieriger. Ausgangspunkt ist: Irgendeine Art von ››Gewaltenteilung‹ muss es geben, da es sich letztlich um die Frage handelt ››Wer entscheidet?‹ bzw. ››Wer führt aus?‹. Karl Marx‘ Diktum über die Pariser Commune gilt vielen als wegweisend: Sie sei »vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit« (9). Das heißt, Räte bilden eine Einheit von legislativer und exekutiver Kompetenz und die Exekutive hat Priorität: Diejenigen, die es ausführen müssen/wollen/sollen, entscheiden auch darüber. Die Mehrheit der Rätedenker:innen folgt dieser Logik irgendwie oder lässt das genaue Verhältnis von entscheiden/ausführen im Unklaren. Murray Bookchin hingegen besteht ganz explizit auf einer klaren Trennung: Versammlungen (›assemblies‹‘) sind die Orte oder Institutionen der absoluten Entscheidungsgewalt: Hier diskutieren und entscheiden alle, die betroffen sind oder sich berufen fühlen, mitzudiskutieren, was letztlich getan/gebaut/geplant werden soll. Getrennt davon sind die Räte (›councils‹), die allein ausführend sind und von Expert:innen jeweiliger Bereiche getragen werden. Man kann sie sich als gründlich demokratisierte Arbeitsbranchen vorstellen (Betriebe, Schulen, Verwaltungen etc.).

In Syrien gestalteten die Räte die Gewaltenteilung unterschiedlich, jedoch scheint die Exekutive stets das Schwergewicht zu sein: Hier geht es um die Koordinierung der praktischen Aufgaben in Komitees – die Koordinierung von lokalen Schutzmilizen, von Versorgung mit Mehl, Wasser, Finanzen, Gesundheitsversorgung etc. Im lokalen Rat von Darayya basierte alle Aktivität »auf dem Prinzip von Dezentralisierung, sodass Aufgaben unter denen Verteilt wurden, die auch direkt dafür verantwortlich waren.« (10) Darüber hinaus gab es in Darayya auch eher Überschneidungen als klare Trennungen: Mitglieder der Exekutive waren teilweise auch Mitglieder in entscheidenden Gremien. Ich würde aus rätetheoretischer Perspektive folgende vorsichtige These aufstellen: Die Einheit von Entscheiden und Ausführen ist möglicherweise dort funktional und eher unproblematisch, wo es um lokale Belange geht (einer Nachbarschaft, einer Stadt). Das liegt daran, dass Entscheidungsfindung hier überschaubarer ablaufen kann, weil unterschiedliche Akteure mit unterschiedlichen Interessen präsent sind. Auf regionaler und überregionaler Ebene erscheint es plausibel, davon auszugehen, dass Entscheidungsverfahren komplexer sind, weil sie mehr Feedbackschleifen und Austausch zwischen allen Beteiligten (Entscheider:innen und Ausführenden) brauchen. Die Zapatistas liefern dafür ein gutes Modell, das sich eher an Bookchins Vision orientiert. Die Syrischen Räte kamen nur in begrenztem Maße und in der Anfangsphase über die lokale Ebene hinaus, indem sich Provinzräte bildeten. Diese wurden schnell von der Exil-Opposition vereinnahmt oder gleich von oben durch sie selbst gegründet. Die überregionale Organisierung von Räten ist im Großen und Ganzen nicht gelungen, auch weil das Regime alles daran setzte, Regionen voneinander zu entkoppeln (Ausnahmen sie unten unter Punkt 4).

3. Räte sollen die neue Ordnung vorwegnehmen: Kontinuität statt Bruch

Es mag Linke geben, die bei ›Revolution‹ zunächst an Plünderungen und Umverteilung denken. Oder zumindest an einen Bruch, der mit allem Alten aufräumt, um Platz für die neue Gesellschaft zu schaffen. Bini Adamczak hat diese Vorstellung ausführlich und mit guten Argumenten kritisiert. (11) Für Anarchosyndikalist:innen hatte der Gedanke, dass im Hier und Jetzt schon am Aufbau der Gesellschaft von morgen gearbeitet werden müsste, immer einen hohen Stellenwert. Sie bezogen dies gewiss eher darauf, dass bereits jetzt in Betrieben Räte aufgebaut werden müssten, die dann die Produktion übernehmen könnten. Omar Aziz teilte diese Idee, wenngleich er sie nie auf den Bereich der Arbeitswelt bezog: »Die Idee, die wir betonten war: wir wollen nicht auf einen neuen Staat warten, der der Revolution zum Sieg verhelfen würde, sondern wir wollten die Revolution hier und jetzt erleben, zwischen den Menschen.« (Al-Kayial). Dafür brauchte es die Räte, weil sie eben die sozialen Orte waren, in denen die Menschen gemeinsam handeln und lernen konnten.

In Syrien zeigt sich, dass Kontinuität für Menschen in mehrfacher Hinsicht sehr wichtig war: Einerseits sorgte der Staat durch Abhängigkeitsstrukturen (wie Fortzahlung der Beamtengehälter selbst in befreiten Gebieten) für eine konterrevolutionäre Art von Kontinuität. Diese ›Zeit der Autorität‹ sollten die lokalen Räte ja Stück für Stück aushöhlen, andererseits aber war die Kontinuität des Alltagslebens wichtig für die Menschen. Nur, wenn sie sich einigermaßen sicher vor Plünderungen fühlen konnten und keine Angst hatten, morgen ohne Grundnahrungsmittel dazustehen, konnten sie sich der Revolution weiter widmen. Für Sami war rückwirkend klar: Es ging darum, Leben zu retten und das Leben am Laufen zu halten. Darin lag tatsächlich eine wesentliche Leistung der Räte in Syrien. Auch im weiteren Verlauf der kommenden Jahre waren ›Bruch‹ und ›Ausnahmezustand‹ überhaupt nichts Wünschenswertes. Ein Beispiel: Nachdem Kinder monatelang nicht in die Schule gehen konnten, war es wichtig, ihnen – Krieg hin oder her – geregelte Bildungsmöglichkeiten zu schaffen und die Schulen wieder in Gang zu bringen: »In Yabrud waren wir in der Lage unsere Kinder wieder in die Schule zu schicken (…) Die Schulen haben wieder geöffnet nachdem der Rat sich gebildet hatte (…). Es ist nicht perfekt, aber der Rat sorgt dafür, dass das Leben weitergeht«. Dieses nachvollziehbare Bedürfnis nach Sicherheit und Normalität ist ein wichtiger Aspekt davon, dass Räte eine neue Ordnung denk- und erlebbar machen. Das wusste auch schon der österreichische Anarchist Pierre Ramus: »Das Grundprinzip der sozialen Umwälzung muss sein: Kein Mensch hungrig! (…) Das größte Kunststück der sozialen Revolution dürfte darin bestehen, auch während ihres fundamentalen Umgestaltungsprozesses einen verhältnismäßig ungestörten Fortgang der Produktion auf allen Gebieten zu bewerkstelligen (…)«. (12)

Tatsächlich waren die lokalen Räte vor allem an den Orten sehr verwundbar gegenüber den islamistischen Milizen, wo sie drei Bereiche nicht ausreichend bedienen konnten: Rechtsprechung, Sicherheit und Versorgung mit Brot. Yasser Munif bringt das für die Stadt Manbij auf den Punkt: »Brot und Freiheit sind untrennbar: die Befreiung einer Stadt ist bedeutungslos in den Augen der Bewohner, wenn die Lebensbedingungen sich dann verschlechtern. Der lokale Rat wusste, dass sein Schicksal davon abhing, ob er Brot zum gleichen Preis anbieten konnte wie in den von Regime kontrollierten Regionen«. (13) In Syrien ist der Anteil von Weizen an der gesamten Kalorienzufuhr etwa 40% und allen Akteuren war klar, dass der Zugang zur Weizen-Infrastruktur (Felder, Silos, Bäckereien) entscheidend war. Das Regime wusste das und bombardierte gezielt Bäckereien in befreiten Gebieten, während es Brot in den eigenen Gebieten massiv subventionierte. Die Islamisten konnten die Kontrolle über Brot-Infrastruktur oft mit Gewalt durchsetzen (Silos befinden sich meist außerhalb der Städte und somit schwer zu bewachen). Sobald Islamisten eine Stadt übernahmen war die erste Maßnahme oft, kostenlos Brot zu verteilen und die großen Bäckereien zu betreiben. Lokalen Räten war daran gelegen, die Brotinfrastruktur bewahren (Kontinuität!). Das Beispiel von Brot zeigt, dass die Räte in Syrien insbesondere eine Schwachstelle hatten: Sie hatten keine Verfügungsgewalt über die wichtigsten Ressourcen und Infrastrukturen der Lebensmittelversorgung. Dieser Punkt wird im Folgenden ausführlicher besprochen.

4. Solidarische Ethik versus strukturelle Solidarität: Wie lässt sich Kooperation verwirklichen?

Es mag den Leser:innen schon aufgefallen sein: Die Räte, um die es hier geht, haben sehr wenig mit Arbeiterräten zu tun, wie wir sie uns aus der Perspektive der Arbeiterbewegung vorstellen. Zu keinem Zeitpunkt in der syrischen Revolution stand zur Debatte, dass sich Räte in den Industriebetrieben bilden würden. Die Industrie und Landwirtschaft blieb völlig unberührt von den Räten. Omar Aziz war durchaus bewusst, dass Räte innerhalb der Arbeiterbewegung vor allem auch als Arbeiterräte in Fabriken gedacht wurden. Er formulierte seine Vorstellung von Räten jedoch ganz bewusst in Abgrenzung zur Arbeiterbewegung. Das ist nachvollziehbar: Sowjetischer Kommunismus und Arbeiterbewegung waren und sind in Syrien keine anschlussfähigen Konzepte mehr, weil die entsprechenden Parteien und Gewerkschaften sich über Jahrzehnte zu sehr vom Regime haben kooptieren lassen. Deshalb legte Aziz Wert darauf, keine Kollektivsubjekte anzusprechen (z.B. ›das Volk‹), sondern zog es vor ›der Mensch‹ zu schreiben, obwohl sich das auf Arabisch eher komisch anhört (ähnlich wie ›the human‹ im Englischen). Das war eine bewusste Entscheidung, weil er das menschliche Individuum in den Mittelpunkt rücken wollte, das über sich hinauswächst, lernt, Freude erlebt und eine tief sitzende Sehnsucht nach Leben habe (›al-tawq ila al-hayat‹) (14). Wohlgemerkt denkt er in seinem Text das Individuum konsequent in Gemeinschaft – es geht im immer um kollektive Autonomie. Diese neue Gemeinschaft entsteht weniger aus geteilter Arbeiteridentität, sondern aus gemeinsamer Erfahrung in alltäglicher Kooperation. Damit stellt er sich (ohne dies bewusst zu argumentieren) in eine Rätetradition, die eher von Hannah Arendt vertreten wird: Zivile Räte außerhalb der Produktion. Für Hannah Arendt liegt die Bedeutsamkeit der Räte darin, dass Menschen dort ins gemeinsame Handeln kommen. Es ist das, worum es laut Arendt bei ›Politik‹ eigentlich gehen sollte: das gemeinsame Handeln. Das ist bei Aziz ähnlich, aber er begründet es auf einer psychologischen Ebene: Es geht um das (zwischen)menschliche Fühlen und Erleben und um Entwicklung von psychischer Handlungskompetenz. Die Bedeutsamkeit der Räte rührt für ihn daher, dass alle miteinander in Kontakt kommen und eine neue kooperative Atmosphäre entsteht, in der vertrauensvolle, solidarische zwischenmenschliche Beziehungen wachsen könnten. Er setzte darauf, dass im gemeinsamen Handeln eine kooperative Ethik entstehen würde. Und das war auch der Fall. Es gibt eindrückliche Berichte aus den Jahren 2012 und 2013 darüber, dass in Räten eine Atmosphäre kultiviert wurde, die von dem Willen zu gegenseitigem Respekt geprägt war, von Kooperation, Freundschaftlichkeit, Kreativität und Gleichheit. Aziz selbst schrieb von »epischen Akten der Liebe« und davon, dass diese Revolution die meisten Menschen innerhalb der vorangegangenen Monate tiefgehend transformiert habe (siehe 2). Solidarität war an vielen Orten real. In Gebieten, in denen fast die Hälfte der Bäckereien zerstört waren, organisierten sich Familien teilweise mit Hilfe der lokalen Räte, um die Brotversorgung sicherzustellen. Jedoch, und das ist ein gewichtiger Einwand, handelt es sich hier um eine solidarische Ethik, wie sie von vielen Revolutionär:innen beschrieben und beschworen wurde (z.B. von Rosa Luxemburg und Anton Pannekoek). Eine solche solidarische Ethik ersetzt jedoch nicht die Notwendigkeit, neue gesellschaftliche Strukturen aufzubauen, die dann auch eine strukturelle Solidarität ermöglichen. Bini Adamczak hat argumentiert, dass Solidarität in Revolutionen nicht darauf reduziert werden sollte, wie sich Menschen zueinander verhalten – sie ist »weder eine theoretische Forderung noch eine bloße Funktion des Kampfes«, sie ist »keine Frage der Haltung, sondern eine Frage der Beziehung. Nicht, wie soll ich mich den anderen gegenüber verhalten, lautet sie, sondern, in welches Verhältnis wollen wir uns setzen?« (15) Während die Marktlogik des Kapitalismus auf ›strukturellem Hass‹ (16) basiert, weil alle in Konkurrenz zueinander stehen, braucht eine soziale Ordnung jenseits von Staat und Markt eine ›strukturelle Solidarität‹. Es ist eine Illusion zu glauben, Räte könnten sich langfristig in einer rein zivilen oder politischen Sphäre festigen und von einer grundlegenden Transformation von Eigentumsverhältnissen absehen. Sie können allein dann Institutionen einer alternativen Ordnung sein, wenn das Privateigentum an Produktionsmitteln langfristig ausgehebelt wird und damit auch die Trennung von gesellschaftlichen Sphären in Politik/Ökonomie/Zivilgesellschaft sinnlos wird. Ansonsten wäre eine Rätedemokratie gegenstandslos, weil ihre Entscheidungen als Empfehlungen aus der Zivilgesellschaft in Richtung Ökonomie verhallen würden. (17)

Dass sich die Revolutionäre in Syrien solidarisch zueinander verhalten können, haben sie unzählige Male unter Beweis gestellt. Indem aber Eigentumsstrukturen, vor allem in der Landwirtschaft, unangetastet blieben, wurde keine Grundlage dafür geschaffen, dass diese kooperative Ethik in eine neue kooperative Gesellschaftsstruktur hätte übergehen können. Bauern blieben Marktteilnehmer, die zu guten Preisen Getreide verkaufen wollten. Erdöl blieb ein teures Exportgut, das Devisen reinbringen sollte, anstatt vor Ort die Communities mit Energie zu versorgen. Sicherlich hatten die Akteure vor Ort kaum die nötige Ruhe, um Pläne zu schmieden, abzuwägen, zu verhandeln. Fakt ist: Die ausgebliebene Sozialisierung von Ressourcen hat die lokalen Räte nicht gerade gestärkt. Und das, wo die Bedingungen für eine Sozialisierung der landwirtschaftlichen Produktion vielleicht gar nicht so schlecht waren: Schätzungen zufolge befanden sich 2015 mehr als fünfzig Prozent der Weizenanbaugebiete unter der Kontrolle der Opposition. Die Räte beschränkten sich aber eher darauf, Wartungs- und Reparaturdienste für die lokale Infrastruktur, die Bewässerung, die Landwirtschaft usw. zu erbringen, anstatt zu versuchen, diese Lebensgrundlagen auf die eine oder andere Weise unter die Kontrolle der Gemeinschaft zu bringen. Infolgedessen mussten die Räte mit anderen konkurrieren, um Lebensmittel entweder von internationalen Hilfsorganisationen oder direkt auf dem Markt zu beschaffen. Es überrascht daher nicht, dass in der Region Ghouta in den Jahren 2013/14 der Mangel an Ressourcen, insbesondere an Nahrungsmitteln, zu Konflikten zwischen Zivilist:innen über den Verkauf oder das Zurückhalten von Ressourcen führte und auch Spannungen zwischen Räte verursachte – struktureller Hass lässt grüßen.

Mir sind nur wenige Beispiele bekannt, wo Nahrungsinfrastruktur ansatzweise unter Kontrolle der Räte gebracht wurde, sodass eine »Geographie der Solidarität« entstehen konnte:

»Manbij verfügt über eine der größten Getreidemühlen in Nordsyrien, was die Stadt für die gesamte Region lebenswichtig und von strategischer Bedeutung macht. Die Mühlen können bis zu 450 Tonnen Weizen pro Tag verarbeiten, eine Menge, die für 1 Million Einwohner ausreicht. Nach der Befreiung der Stadt versorgte das Regime Manbij weiterhin mit Weizen, um Kontrolle zu behalten. Darüber hinaus wurden der Direktor der Mühlen und etwa 100 Angestellte auf der Gehaltsliste des Regimes gehalten. Der Revolutionsrat war anfangs nicht in der Lage, Weizen zu niedrigen Preisen zu liefern oder die Gehälter zu zahlen, und war daher gezwungen, die indirekte Präsenz des Regimes in der Stadt zu dulden. (…) Um die Abhängigkeit der Stadt vom Regime zu beenden, begann der Revolutionsrat mit dem Aufbau eines alternativen Weizenkreislaufs in den befreiten Gebieten, indem er eine Geografie der Solidarität schuf. Diese neue Geographie verlangte von den befreiten Städten, die Gewinne und Kosten (...) gleichmäßig auf die verschiedenen Regionen zu verteilen.« (siehe 13)

Hätten die Räte mehr Möglichkeiten gehabt, untereinander zu kooperieren, hätten mehr solcher Versuche entstehen können. In einigen wenigen Fällen versuchten die Räte, eine Art Sozialisierung zu betreiben und Ressourcen zu kontrollieren: Der lokale Rat einer Kleinstadt (Rastan) verfügte über fruchtbares Agrarland, das die Eigentümer verlassen hatten. Die Gemeinde hat das Land genutzt. In ähnlicher Weise investierten lokale Räte in Landwirtschaft und Nutztierhaltung, stellten Personal und Ausrüstung zur Verfügung, bauten neue Brunnen, unterstützten und überwachten die Wasserförderung und versuchten, die Infrastruktur zu reparieren und auszubauen. Ein weiteres Beispiel zeigt vielleicht im Kleinen, dass Commons-artige Gebilde attraktiv für Bauern und Communities hätten sein können. In Ghouta schlossen sich 2015 Landwirte zusammen, um mit Unterstützung der Räte größere Projekte zu entwickeln, da die landwirtschaftliche Infrastruktur stark beschädigt und die Bewirtschaftung kleiner Parzellen weniger ertragreich war. Das minderte den Druck der teilweisen Belagerung durch das Regime zumindest ein wenig und die Menschen vor Ort äußerten sich sehr zufrieden über solche Ansätze.

Die vier Punkte machen deutlich, dass Revolutionen und Räte viele Ebenen haben. Psychologische Prozesse sind genauso entscheidend wie die Frage nach Institutionen, zwischenmenschliche Beziehungen sind ebenso wichtig wie die Beziehungsstruktur der Gesellschaft. ›Sehnsucht nach dem Leben‹ und ›epische Akte der Liebe‹ (Aziz) gehören genauso dazu wie alltägliche Sicherheit, Wahlverfahren und schnöde Verfügungsgewalt über Produktionsmittel. Das sind nur einige Aspekte, die eine Revolution mit Räten klar kriegen müsste, damit’s irgendwann mal klappt. Das wäre in Deutschland nicht anders als in Syrien.

Anmerkungen

(a) Ein erfreuliches Beispiel ist das jüngst erschienene Buch Anarchistische Gesellschaftsentwürfe. (1)

(b) Ausführlich habe ich das in meiner Doktorarbeit gemacht, in der detailliert Quellen zu finden sind. Hier gebe ich nur ausgewählte Hinweise. Bei Fragen gerne eine Email an almutwoller@posteo.de

(c) Sami Al-Kayial hat einen Artikel auf Deutsch veröffentlicht (2), und einige Zeitungsartikel auf Arabisch.

(d) Der Text wurde auf Französisch und zweimal auf Englisch übersetzt. Die beste Version bisher ist von der Gruppe Bordered by Silence, die auch einige sehr gute Interpretationen mitliefern. Der Text ist leicht zu lesen und nicht lang (3). Eine deutsche Übersetzung kommt im Laufe der nächsten Monate.

(e) Nur um Missverständnisse zu vermeiden: Eine post-kapitalistische Gesellschaft muss in der Lage sein, Produktion und Verteilung zuverlässig zu regeln sowie Prozesse des Entscheidens verbindlich zu regeln. Maximale Effizienz muss dafür aber nicht immer maßgeblich sein: Die Verlangsamung und Schrumpfung von Produktion ist wünschenswert und auch Entscheidungsprozesse sind möglicherweise zufriedenstellender, wenn sie mehr Zeit in Anspruch nehmen können.

Verwendete Literatur

\ (1) Stölner, Thomas; Bittlingmayer, Uwe H.; Okcu, Gödze (Hrsg. (2024): Anarchistische Gesellschaftsemtwürfe. 2. Auflage, Münster: Unrast.

\ (2) Sl-Kayial, Sami (2017). Der Krieg in Syrien und die Krise der linken Traditionen. https://www.rosalux.de/news/id/14388/der-krieg-in-syrien-und-die-krise-der-linken-traditionen

\ (3) Aziz, Omar (2011/2012): Discussion Papers on the Formation of Local Councils, in:n: Bordered by Silence (Hrsg. [2017]), To Live in Revolutionary Time: The Formation of Local Councils by Omar Aziz. Bordered by Silence. https://www.indybay.org/newsitems/2017/05/10/18799307.php

\ (4) Aljundi, Ghia (2014): Local governance inside Syria: Challenges, opportunities and recommendations. London: Institute for War & Peace Reporting. https://www.refworld.org/pdfid/5416e7d14.pdf

\ (5) Darayya LC (2014). Office for neighborhood committees. https://tinyurl.com/mrffb8y4

\ (6) Castoriadis ist derjenige, der diesen Punkt am stärksten herausgearbeitet hat: Castoriadis, Cornelius (1988a)[1946-1955]: General Introduction, in: C. Castoriadis, Political and Social Writings, Vol. 1.: From the Critique of Bureaucracy to the Positive Content of Socialism, Minneapolis: University of Minnesota, S.99-356. https://libcom.org/files/cc_psw_v1.pdf

\ (7) Dieses Buch ist wirklich aufschlussreich: Schuster, Simon (2017): Demokratie des gehorchenden Regierens. Das zapatistische Modell einer neuen Gesellschaftsordnung, Münster: Unrast.

\ (8) Etwas ausführlicher zur Frage der Wahlen dieser Text von mir: https://cms.rosalux.de/fileadmin/ls_sachsen/dokumente/Reader_Utopie_und_Praxis_des_antiautoritären_Kommunismus.pdf

\ (9) Marx, Karl (1962 [1871]): Der Bürgerkrieg in Frankreich. Adresse des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation, in: K. Marx / F. Engels: Werke, Band 17, Berlin: Dietz, S.339.

\ (10) Die Website des Rates mit detaillierten Beschreibungen der Funktionsweise gibt es nur auf Arabisch: https://tinyurl.com/5brurftp

\ (11) Adamczak, Bini (2017): Beziehungsweise Revolution: 1917, 1968 und kommende, Berlin: Suhrkamp

\ (12) Ramus, Pierre (2005) [1923]: Die Neuschöpfung der Gesellschaft, in: Pierre Ramus-Gesellschaft (Hrsg..), Pierre Ramus‘ ›Neuschöpfung der Gesellschaft‹ und andere Texte zur Rekonstruktion der sozialen Balance, Wien: Monte Verita, S. 99-356.

\ (13) Munif, Yasser (2020): The Syrian Revolution: Between the Politics of Life and the Geopolitics of Death, London: Pluto Press.

\ (14) Den Gedanken hatte er ausführlicher Formuliert: Aziz, Omar (2007, September 5). حالة الاستثناء، القانون، والتوق إلى الحياة [Halat al-istithna’, al-qanun, wa al-tawq ila al-hayat]. Al-Safir. https://www.ahewar.org/debat/show.art.asp?aid=359206

\ (15) Siehe (11), S. 259 und 270.

\ (16) vgl. Habermann, Friederike (2016): Ecommony. UmCARE zum Miteinander. Sulzbach am Taunus: Ulrike Helmer Verlag.

\ (17) Dieser Gedanke ist bei Korschs Auseinandersetzung mit Marx und der Pariser Commune sehr klar formuliert: Korsch, Karl (1929): The glorious Paris Commune. https://www.marxists.org/archive/korsch/1929/commune.htm