Kantine »Festival«

»You are welcome to the machine of work here in Germany« (1) Über die politische Logistik migrantisierter Menschen im Jobcenter [Beitrag zur Kantine-Broschüre »Hier tanze«]


Max Wolf, Thiemo Luft

In diesem Beitrag gehen die Autoren der Frage nach, wie es migrierten Menschen im Kontext des Jobcenters nach und im sogenannten »langen Sommer der Migration« 2015 erging. Mit Unterstützung marxistisch informierter und kritischer Denker_innen wie Bojadžijev, Bourdieu, Foucault, Mezzadra uvm. untersuchen sie Prozesse der Migrantisierung, Subjektivierung und Disziplinierung einer neu entstehenden Reservearmee und deren struktureller Einbettung in eine ablehnende Migrationsgesellschaft. In einem Vortrag auf der Kantine »Marx« am 10. August 2018 stellten sie Einblicke in ihre ethnographischen Erkundungen und deren Analyse vor. Beide Autoren studieren Europäische Ethnologie an der HU Berlin und begleiteten mehrere Jahre Menschen ins Jobcenter. Zudem sind beide Autoren Soziologen. Thiemo Luft studierte soziologische Theorie in Konstanz, Max Wolf in Chemnitz und Växjö.

Im Juli 2015 treffen wir Jay (2) in einer Bar in Chemnitz. Er berichtet uns, dass er wegen des Krieges in Syrien das Land verlassen musste. Einige Wochen nach seiner Ankunft in Deutschland habe er einen dreijährigen Aufenthaltstitel erhalten, der ihm Zugang zu Sozialleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) verschaffte. Zwei Monate später, als wir ihn vor seinem dritten Jobcentertermin in Leipzig-Plagwitz trafen, wirkte er sichtlich entnervt und gehetzt. Ihm sei klar geworden, dass er abhängig von dieser Institution sei, dieser – wie er wiederholt sagte – großen Maschine, gegenüber der er sich klein fühle. Er habe kaum geschlafen, denn er habe den Zwang realisiert, »that you have to learn the language and you have to work, if you want to be member in this society« (Interview Jay vom 18.10.2015). Genau hier setzt der vorliegende Artikel an: Mit Blick auf Geflüchtete und andere sogenannte Migrant_innen, die Leistungen des Jobcenters in Anspruch nehmen, fragen wir uns, welche Erfahrungen sie in diesem Kontext machen und wie das Jobcenter von seinen migrierten Kund_innen wahrgenommen wird. Besondere Aufmerksamkeit liegt dabei auf der Frage, ob es spezifisch migrantische Erfahrungen mit der Institution Jobcenter gibt. Dafür müssen wir zunächst die näheren gesellschaftspolitischen Bedingungen des sogenannten langen Sommers der Migration (Hess u. a. 2017) betrachten und das Forschungsfeld im Kontext des aktuellen wissenschaftlichen Diskurses herleiten, so dass sowohl eine Analyse der strukturellen Bedingungen als auch des subjektiven Erlebens innerhalb dieser Strukturen möglich wird.

Der lange Sommer der Migration und das Jobcenter als Grenze

Wenn wir zunächst die sozialen, politischen und rechtlichen Strukturen betrachten, die Jays Leben beeinflussen, so können wir feststellen, dass Jay kein Einzelfall ist. Denn im Zeitraum unserer Forschung, die während des sogenannten langen Sommers der Migration im Jahr 2015, genauer gesagt zwischen Juli 2015 und Februar 2016, stattfand, migirerten laut Statistischem Bundesamt 2,14 Millionen Menschen nach Deutschland. Davon kam über die Hälfte der Personen aus Europa, mit 45 Prozent vorrangig aus EU-Staaten. 13 Prozent der Migrierten stammen aus Ländern Asiens und etwa fünf Prozent aus Ländern Afrikas (destatis 2016). Diese Zahlen stellen – zumindest im öffentlichen Diskurs – für die bundesrepublikanische Gesellschaft eine vermeintliche Herausforderung dar, besonders wenn es um den Zugang zum Arbeitsmarkt für die Neuankommenden geht. Von wirtschaftsliberaler Seite werden hier »Potenziale« gesehen, sodass sogar konservative Milieus des Landes mittlerweile anerkannt haben, dass Deutschland ein »Einwanderungsland« ist (Schwiertz/Ratfisch 2016, 3). Zugleich fokussierten wissenschaftliche Forschungen fast ausschließlich auf den Teilbereich der Asyl- und Fluchtmigration seit 2015, nicht jedoch auf die hiesigen Lebensverhältnisse der vormals Geflüchteten. Der Sachverständigenrat der Robert Bosch Stiftung stellte 2016 zudem in einer Metaanalyse verfügbarer Studien fest, dass sich die aktuellen Forschungen zumeist auf die lokale Ebene beschränken und damit »ein nach Flüchtlingsgruppen differenzierender Gesamtüberblick über die Arbeitsmarktintegration von Asylsuchenden, Geduldeten, Bleibeberechtigten sowie anerkannten Flüchtlingen« noch aussteht (Sachverständigenrat 2016, 23). Es gleichen sich zudem die Ergebnisse aller aufgeführten Studien: Asylmigrant_innen und anerkannte Flüchtlinge haben in der Regel keinen Zugang zum primären Arbeitsmarkt, was in einer »(offiziellen) Erwerbstätigenquote der Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz [von] 3,5 Prozent« mündet (ebd., 17). Die Expertise weist schließlich auch die Gründe für diese »Herausforderungen bei der Arbeitsmarktintegration« (ebd., 23) aus: Neben mangelnden Sprachkenntnissen seien es die rechtlichen Rahmenbedingungen und die niedrigen Anerkennungsquoten von mitgebrachten Qualifizierungsabschlüssen sowie die Dequalifizierungsprozesse durch längere Erwerbslosigkeit (vgl. ebd.).

Das Feld der Migration erschöpft sich aber gerade im von uns betrachteten sozialstaatlichen Kontext des Jobcenters nicht darin, die ›Geflüchtetenproblematik‹ zu diskutieren oder nur eine spezifische Migrant_innengruppe zu untersuchen. Es gibt eine Vielzahl von migrierten Menschen aus unterschiedlichsten Kontexten, denen jeweils und insgesamt mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Denn etwa 623.000 Menschen in Deutschland gehören laut Bundesagentur für Arbeit (2016, 28) zu den sogenannten »erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit Migrationshintergrund« (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2009, 13). (3) Als Forschende stehen wir daher vor der Aufgabe, mehr als bisher den Zusammenhang von Arbeitsmarkt und Migration zu beforschen und dabei das Jobcenter als vermittelnde Transferinstitution in die Analyse mit einzubeziehen.

Zwei wissenschaftliche Zugänge sind hierbei von besonderer Bedeutung: einerseits die soziologisch geprägte Arbeitsmarkt- und Integrationsforschung, mit einem Schwerpunkt auf dem Bereich der Migration. Neben wichtigen Darstellungen der Umsetzung und Ausgestaltung sowie den arbeitsmarktpolitischen Folgen der Agenda 2010 (Butterwegge 2015; Dörre u. a. 2013), Analysen der Ideologie des »Förderns und Forderns« und des Aktivierungsnarrativs (Lessenich 2003), sowie den wohlfahrtsstaatlichen Wandlungsprozessen von »Welfare to Workfare« (Mohr 2009; siehe auch Scherschel 2016) geht es in diesem Bereich vornehmlich um die Erwerbs- und Arbeitsmigration (vgl. u. a. Butterwegge 2007). Bestehende Studien verweisen auf Intersektionalität und Marginalisierung von nach Deutschland Zugewanderten (Han 2016), haben aber das Problem, dass sie zumeist rein quantitativ, d. h. ohne ausreichende Differenzierung subjektiver Erlebenswelten, angelegt sind und oftmals auf das Verwertungspotential von Migrant_innen für den deutschen Arbeitsmarkt zielen (z. B. Damelang 2011). In Reaktion auf diese einseitigen Forschungen sind inzwischen qualitative Studien entstanden, welche die Biographien und Lebenswelten von Migrant_innen im Grundsicherungsbezug ins Zentrum der Analyse rücken (Geisen 2015; Flick u. a. 2017). Sie konzentrieren sich allerdings überwiegend auf bestimmte Migrant_innengruppen (so z. B. Flick u. a. 2017) und reflektieren methodisch zu wenig die institutionelle Rolle der Jobcenter und die sich daraus ergebenden Verzerrungen, etwa im Zusammenhang der »Bereitstellung« von Mitarbeiter_innen für Interviews oder was die Veränderung der untersuchten Situationen durch die Anwesenheit von Forscher_innen bei Beratungsgesprächen anbelangt.

Spätestens an dieser Stelle wird – andererseits – die seit mindestens fünf Jahren immer stärker in den Fokus der Kulturund Sozialwissenschaften rückende kritische Grenzregime- und Migrationsregimeforschung relevant (z.B. Hess u. a. 2017; Heimeshoff u. a. 2014; Labor Migration 2014; Hess/Kasparek 2010; Transit Migration Forschungsgruppe 2007). Diese erweitert die Forschung um die Sichtweise der Subjekte, indem sie vornehmlich ethnographisch arbeitet.

Vor diesem Hintergrund gehen wir mit Blick auf die institutionellen Praxen der Jobcenter sowie die dadurch bedingten Subjektivierungsprozesse davon aus, dass nach Deutschland migrierte Menschen auf einen sozialen Raum treffen, den mannigfaltige Grenzziehungen kennzeichnen. Dieser lässt sich auffassen als ein – nicht auf die Landesgrenzen beschränktes – Grenzregime, verstanden als

»ein Ensemble von gesellschaftlichen Praktiken und Strukturen – Diskurse, Subjekte, staatliche Praktiken – (...) deren Anordnung nicht von vornherein gegeben ist, sondern das genau darin besteht, Antworten auf die durch die dynamischen Elemente und Prozesse aufgeworfenen Fragen und Probleme zu generieren.« (Karakayali/Tsianos 2007, 14).

Diese Perspektive verfolgend etablieren Hess u. a. (2014) einen praxistheoretischen Grenzregimebegriff, der einen Doing-border-Ansatz beinhaltet, welcher ein Herstellen und Aushandeln von Grenzen aus subjektiver Perspektive umfasst. Der für unsere Analyse entscheidende Punkt ist hierbei der Aspekt der »Agency«, d.h. die Handlungsmacht der Migrant_innen, die in der Definition der Grenzregime mehr oder weniger subtil auftritt, denn diese Regime werden konzipiert als

»territorial(...) oder a-territorial(...) umkämpfte(...) soziale(...) [Räume], die von Spannungen, Konflikten und Aushandlungen zwischen multiplen Akteur_innen um Rechte und gesellschaftliche Teilhabe geprägt sind und durch ständige performative Akte (wieder)hergestellt, repariert, herausgefordert, verschoben, umgedeutet oder neu eingeschrieben werden.« (Hess u. a. 2014, 18) (4)

Selbst wenn Grenzen als Filter oder Methoden betrachtet werden, wie es Mezzadra und Neilson (2008) vorschlagen, oder als »selektierende und kategorisierende Hierarchisierungsinstitution[en]« (Hess u. a. 2014, 17), müssen sie in alltäglichen Praktiken (re)interpretiert und »ausagiert« (ebd., 15) werden. Denn Grenzen sind porös und durchlässig, wie es die Politikwissenschaftlerin Isabell Lorey am Beispiel der Einreise einer argentinischen Künstlerin nach Spanien zeigt (Lorey 2011). Nicht nur, dass diese aufgrund ihres Nicht-EU-Passes gegenüber von EU-Bürger_innen getrennt die Kontrollen passieren musste, zusätzlich unterzog die Polizei sie einer Personenkontrolle. In dieser repressiven Kontrolle verortet Lorey ein flexibles Grenzregime, das mit souveränitätslogischen Taktiken Migration im Sinne der zu sichernden politischen Gemeinschaft reguliert. Das hieße des Weiteren, dass das europäische Grenzregime sich nicht komplett gegenüber Migration abschotte, sondern deren Subjekte selektiv und stufenweise eingliedere (vgl. ebd.). Dies führe wiederum zu »Erfahrungen der Kontingenz, dieser rechtlichen und physischen Prekarisierung ausgesetzt zu werden« und benötige eine »Unterordnung der notwendigen nicht-europäischen Arbeitskräfte«, so Lorey weiter (ebd.; siehe auch Lorey 2012). Durch solch eine Regulation durchlässiger Grenzen werden hierarchisierende Inklusionsprozesse hervorgebracht, die eine rechtliche Differenzierung von Immigrant_innen zur Folge haben (vgl. Cuttitta 2010, 28ff.).

Vor diesem Hintergrund analysieren wir die institutionellen Praxen des Jobcenters samt den sie bedingenden Subjektivierungsformen als »Grenzerscheinung« (Cuttitta 2006), die ihre Grundlage darin hat, dass Integration im gesellschaftlichen Diskurs stark über die Einbindung in den Arbeitsmarkt definiert wird. So postulieren einflussreiche Soziolog_innen wie Hartmut Esser unkritisch, dass der dominierende Integrationmechanismus in »modernen, demokratisch verfassten Gesellschaften (...) ohne Zweifel« der Markt sei (Esser 2001, 3) und die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles spricht beispielsweise davon, dass Geflüchtete »möglichst schnell (...) Kollegen werden [sollen]« (zitiert nach Specht 2015, o.S.). Arbeit bezeichnet diesem Verständnis nach solche Tätigkeiten, die von der Bundeszentrale für politische Bildung lapidar als »Form der Arbeit, mit der Geld verdient werden soll« (Thurich 2011) beschrieben werden. Aus Sicht des Staates bringt eine solche »Form der Arbeit« erstens Konkurrenz und zweitens Steuern, die schließlich gebraucht werden, um beispielsweise Wohlfahrtsleistungen zu garantieren. Der Naturalisierung dieses sozialen Verhältnisses kommt dabei eine ideologische Rolle zu, indem es normativ überhöht wird, was keineswegs nur in konservativen Kreisen der Gesellschaft üblich ist – so unterstrich etwa der ehemalige Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) mit dem biblischen Ausspruch »Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.« (zitiert nach Schuler 2006, o.S.) die gegenwärtige hegemoniale (5) sozialpolitische Auffassung über den Sinn und Zweck von Arbeit. Karin Scherschel hat die darin formulierte Rolle der arbeitenden Subjekte mit dem Begriff des »Arbeitsmarktbürgers« (Scherschel 2016, 261) zu fassen versucht, mithin eine arbeitsmarktpolitische Ausrichtung des Wohlfahrtsstaates, in dem Staatsbürgerrechte und die soziale Teilhabe zunehmend über die Erfordernisse des Marktes definiert werden (vgl. ebd.).

Diese gesellschaftliche Gemengelage beeinflusst nicht nur allgemein erwerbsarbeitslose Menschen in ihrer Selbstwahrnehmung. Sie (re)produziert zusätzlich Bilder über soziale Gruppen – in diesem Fall bestimmer Gruppen von Migrant_innen –, die auch als Grundlage und Legitimation diskriminierender Handlungen gegenüber einzelnen dienen. Dabei werden (nicht nur) medial Sichtweisen auf Migrant_innen konstruiert, was sich in bedeutungsschweren Schlagwörtern wie »Wirtschaftsflüchtlinge«, »Einwanderer in die Sozialsysteme« und »Armutsmigranten« niederschlägt. Neben der stattfindenden, rassistischen Kategorisierung und der problematischen Kodierung in ein »Wir« gegen »die Anderen« werden dabei die Gründe der Mobilität unterschlagen und zudem wird eine generelle Ursache für alle Betroffenen unterstellt. Dass diese aber je nach gesellschaftlichem Kontext, nach Herkunftsregion sowie vor allem entlang individueller Bedürfnisse und Einschränkungen variiert, wird im öffentlichen Diskurs oft unterschlagen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich bei der Institution des Jobcenters um eine aterritoriale Grenze handelt. Dadurch spezifiziert sich unsere Ausgangsfrage. Denn wenn die Erfahrungen mit dem Jobcenter als Erfahrungen einer Grenze verstehbar sind, kann gefragt werden, wie diese Grenzen zustande kommen bzw. welche Konsequenzen das für die beteiligten Akteure konkret hat. Mit Hinweis auf die Löchrigkeit und Porösität von Grenzen kann die Handlungsdimension und damit die Handlungsmacht der im Bereich der Grenze Agierenden – in unserem Fall die migrierten Leistungsempfänger_innen – in den Blick genommen werden.

Logistik als Perspektive auf das Jobcenter

Durch die Beschäftigung mit den strukturellen Bedingungen des Jobcenters als Institution der Grenze ist uns aufgefallen, dass wir sowohl die Machtstrukturen als auch die Ebene der (ideologischen) Subjektivierung durch das Jobcenter als Grenzphänomene über das in den Kultur- und Sozialwissenschaften diskutierte Konzept der Logistik produktiv machen können. Unverzichtbar sind hierbei vor allem die Arbeiten von Brett Neilson zu Macht und Logistik (Neilson 2012) sowie der Begriff des »logistischen Lebens«, welchen Julian Reid (2006) in Anlehnung an Michel Foucault (v. a. 2005) entwickelt hat.

Erwerbslose Leistungsbezieher_innen vereint zunächst, dass sie Teil eines durch die Jobcenter auf organisationaler Ebene durchgesetzten politischen Logistik-Prozesses sind, in dem sie dieselbe Position innehaben – und zwar als Träger von Arbeitskraft, die es schnell zu vermitteln gilt. Ein Verständnis von Logistik als »die Kunst und Wissenschaft der Verwaltung der Mobilität von Menschen und Dingen zur Erreichung ökonomischer, kommunikativer und transportbasierter Effizienzen« (Neilson 2012, 323) unterstreicht diese Einschätzung. Nach Neilson bietet der Fokus auf Logistik dann eine zentrale, wenn auch weitgehend unterforschte Möglichkeit, den gegenwärtigen Kapitalismus zu begreifen. Das Jobcenter nimmt in dieser Perspektive die Rolle eines Mediums zur strukturellen Kopplung von kapitalistischer Gesellschaftsorganisation und den sich in Handlungen äußernden subjektiven Anpassungsrespektive Verarbeitungsprozessen ein. Es erbringt damit eine doppelte Leistung für die Gesellschaft in Form der logistischen Verwaltung von Arbeitskraft, nämlich durch Sammlung und Verteilung. So betrachtet verbindet das Jobcenter Individuen auf der Mikroebene mit dem Arbeitsmarkt auf der Mesoebene sowie auf der Makroebene mit einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Demnach funktioniert das Jobcenter, so unsere These, als Logistikzentrum.

Besondere Aufmerksamkeit richten wir dabei auf die logistischen Subjektivierungsprozesse (ebd., 336ff.), die durch das Aktivierungsdispositiv der neoliberalen Arbeitsmarktpolitik vermittelt werden (Atzmüller 2014; Lessenich 2003). Diese wollen wir mit dem Konzept des logisitischen Lebens analysieren. Dieses Leben, so der Politikwissenschaftler Reid, zeichne sich durch den Druck aus, effizient zu sein, die eigenen Absichten gegenüber Anderen transparent zu kommunizieren, genau dort zu sein, wo man gebraucht werde, seine Zeit ökonomisch einzuteilen, ständig bereit zu sein, wann immer dorthin zu gehen, wohin es verlangt werde und all das auch noch gegenüber Dritten als Teil eigener Wertvorstellungen zu preisen, für die man selbst willentlich töten und sterben würde (vgl. Reid 2006, 20). Damit beschreibt Reid die politisch gewollten Handlungspraktiken, die zur Genese eines Subjektes führen, das der neoliberalen Verwertungslogik des Arbeitsmarktes entspricht. Vermittelt durch sozialstaatliche Institutionen wie das Jobcenter werden Erwerbslose angehalten, eine Metamorphose zum unternehmerischen Selbst (Bröckling 2002) zu vollziehen. Die durch die neoliberale Wende herbeigeführte Kontrolle von oben, die dies ermöglichen soll, wird in der Wohlfahrtsstaatsforschung als politische Logistik bezeichnet: Alle, die deren Leitbild nicht entsprechen bzw. nach dieser ausrichten, werden sanktioniert, diffamiert und exkludiert, »sei es im Rahmen der Degradierung von Asylbewerber_innen zu Leistungsempfänger_innen zweiter Klasse, der Diffamierung von Arbeitslosen als vermeintlichen Sozialschmarotzern oder der Verschärfung von Bedürftigkeitskontrollen« (van Dyk 2015, 15).

Datengrundlage und empirisches Vorgehen

Vier exemplarische Fälle bilden die empirische Grundlage für unsere Untersuchung. Zu dem in der Einleitung zitierten syrischen Geflüchteten Jay beziehen wir uns überwiegend auf Interviews mit Irina aus Litauen und Darko und Nico, zwei Roma, die aus Kroatien nach Deutschland gezogen sind. Mithilfe der vier Gesprächspartner_innen sind wir unserer Fragestellung im Zeitraum zwischen Sommer 2015 und Frühling 2016 durch einen qualitativen Methodenmix aus Begleitungen zu Jobcenter-Terminen in Berlin und Leipzig, teilnehmender Beobachtungen im Alltag sowie mehreren episodischen Interviews (Flick 2011) zu Themen wie Arbeit und Alltagsorganisation auf den Grund gegangen. Die hierbei benutzte Auswahlmethode der Gesprächspartner_innen kann als sogenanntes »theoretical sampling« (Glaser/Strauss 1998) verstanden werden. Dieses Sampling beinhaltet eine Auswahl der Interviewpartner_innen synchron zur Ausarbeitung der Theorie. Dabei hat es sich für uns als wichtig herausgestellt, sowohl mit Menschen zusammen zu arbeiten, die aus Ländern der Europäischen Union kommen, als auch mit solchen, die aufgrund ihrer Herkunft aus so genannten Drittstaaten einen anderen Aufenthaltsstatus besitzen. Später nahmen wir zudem eine Differenzierung nach Bildungshintergründen vor. Neben unterschiedlichen regionalen und sozio-ökonomischen Vorbedingungen, aufenthaltsrechtlichem Status, Bildungshintergründen und Deprivationserfahrungen vereint alle Fälle gleichsam, dass sie vermittelt durch die Jobcenter ihre Arbeitskraft schnell in den Arbeitsmarkt »integrieren« sollen.

Jay musste aufgrund seiner Tätigkeit als Unteroffizier der syrischen Armee und den Folgen einer Befehlsverweigerung flüchten. Er ist Mitte zwanzig und hat ein Studium der Buchhaltung abgeschlossen, das in Deutschland nicht anerkannt wurde. Zum Zeitpunkt unserer Forschung lebt er bereits seit mehreren Monaten als anerkannter Flüchtling mit einer dreijährigen Aufenthaltsgenehmigung in Leipzig.

Darko und Nico bekamen unter anderem aus arbeitsmarktstrukturellen Gründen keine Jobs in Kroatien. Die Biographien der beiden ähneln sich stark. Äußerst ähnlich sind ihre bildungsfernen, prekären sozio-ökonomischen Verhältnisse, und beide sind mit ihren Familien aus der kroatischen Hauptstadt Zagreb nach Berlin gekommen, um – wie sie selbst sagen – ihren Kindern »eine Zukunft« zu ermöglichen. Da sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach Deutschland gekommen sind, befinden sie sich an verschiedenen Punkten im Aushandlungsprozess mit dem Jobcenter. Der Vergleich beider Fälle eröffnet interessante Einsichten. Darko ist mit etwa 45 Jahren etwa zehn Jahre älter als Nico. Beide fallen unter die rechtlichen Regelungen des EU-Freizügigkeitsgesetzes.

Letzteres trifft auch auf Irina zu. Sie studierte ursprünglich Kulturwissenschaften in Riga und kam über mehrere Aufenthalte in westeuropäischen Ländern nach Deutschland. Ihre Tätigkeit bei einer deutschen NGO, ihr Freundesnetzwerk und ihr veganer Lebensstil waren die Gründe, weshalb sie sich vor wenigen Jahren für ein Leben in Berlin entschied.

Auswertung der Daten – Migrantisierung, Disziplinierung und Subjektivierung im Jobcenter

Bei der Begleitung unserer Interviewpartner_innen zu ihren Terminen im Jobcenter und unserer Beobachtungen der dortigen Grenzerfahrungen drängten sich uns stets immer wieder folgende Fragen auf: Was ist das spezifisch Migrantische? Inwieweit verändern sich Situationen, weil das Jobcenter nun keine erwerbslosen deutschen Bürger_innen bearbeitet, sondern eben Menschen mit einem anderen Pass? An eine etwaige abweichende Behandlung von als migrantisch gelesenen Menschen im Vergleich zu anderen Jobcenter-Kunden_innen knüpft die Frage, ob eine solche spezifische Diskriminierung als rassistische Praxis des Jobcenters begriffen werden muss.

Während unserer Feldforschung sind wir wiederholt auf die Zuschreibung migrantischer Kategorien gestoßen, die als solche erst einen Unterschied zwischen Migrant_innen und Deutschen hervorbrachten. Diesen Prozess bezeichnen wir als Migrantisierung. Dabei entsteht eine diskriminierende Behandlung von Menschen aus Gründen, die auf ihre migrationsspezifische Geschichte zurückzuführen sind. Vor allem zwei Formen der Diskriminierung sind uns aufgefallen: einerseits eine gesetzlich verordnete, also eine strukturelle Diskriminierung, und andererseits die institutionell-situative Diskriminierung, d.h. eine Ungleichbehandlung in Situationen, in denen eine gesetzliche Gleichbehandlung geboten wäre. Die gesetzlich verordneten Diskriminierungen beziehen sich zunächst auf die Herkunft und den Migrationsgrund der Betroffenen. Gegenüber Migrant_innen aus EU-Mitgliedsstaaten haben diese Formen der Diskriminierung weitreichende Folgen. In § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II wird der Ausschluss von Leistungsberechtigung für die ersten fünf Jahre des Aufenthalts in der Bundesrepublik festgelegt, sofern sich die Migrant_innen nur zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhalten und dort nicht bereits arbeiten oder gearbeitet haben (vgl. Bundesregierung 2016). Die beurteilende Institution zur Feststellung, ob ein Arbeitsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit in ausreichendem Umfang vorliegt, ist in erster Instanz das Jobcenter und in zweiter das Sozialgericht. Das bedeutet, dass jede_r EU-Migrant_in, der oder die einen Erstantrag im Jobcenter stellt, diesem Unterlagen beifügen muss, die belegen, dass er oder sie bereits in Deutschland gearbeitet hat. So berichten sowohl Darko als auch Irina, dass sie erst einer erwerbsförmigen Arbeit nachgehen mussten, bevor sie überhaupt Anspruch auf Sozialleistungen nach SGB II hatten: »Die haben nichts für mich getan, bevor ich nicht gearbeitet habe.« (Interview Darko vom 15.11.2015) Besonders für unsere zwei kroatischen Gesprächspartner hatte diese Regelung drastische Auswirkungen auf ihren Start in Deutschland und ihre Erfahrungen mit dem Jobcenter. Sowohl Nico als auch Darko lebten die ersten Monate in Deutschland zusammen mit ihren Partnerinnen, von denen eine schwanger war, und jeweils mehreren Kindern auf der Straße. Dies hing mit ihrer selbständigen Tätigkeit als Schrotthändler zusammen, bei der sie fast kein Geld verdienten und damit, dass sich danach die Entscheidungen der Jobcenter hinauszögerten:

»Wenn jemand aus einem anderen Land nach Deutschland zum Jobcenter kommt, bekommt er immer Probleme mit dem Jobcenter. Und dazu müssen Leute auf der Straße leben, bis das alles fertig ist. Und wenn man kein Geld hat, hat man gar nichts, und auf der Straße hier in Deutschland zu sein, ist nicht gut. Das Jobcenter finde ich auf der einen Seite gut, weil die die Leute übernehmen und unterbringen. Aber dafür muss man ziemlich lange warten. Zwei, drei, vier Monate. Manche Leute müssen sechs Monate warten. Ich habe selber vier Monate gewartet, und ich bin auf der Straße gewesen.« (Interview Darko vom 15.11.2015)

Aus diesem Zitat Darkos ergibt sich keine bedingungslose Ablehnung des Jobcenters, sondern vielmehr artikuliert er eine ambivalente Dankbarkeit. Darko befindet sich aufgrund gesetzlicher Regelungen in einer äußerst prekären Lage. Er nimmt die Situation in Kauf, Monate lang mit seiner Familie auf der Straße zu leben, um im Anschluss einen Zugang zu Sozialleistungen zu erlangen. Dabei beschreibt er diejenige Institution, die angesichts seiner prekären Situation für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich ist, als »gut«, weil sie die einzige sei, die überhaupt »die Leute übernehmen und unterbringen« würde.

Insgesamt kann die Durchsetzung gesetzlicher Diskriminierung in der Praxis sehr unterschiedlich vonstatten gehen und kann sich mit institutionell-situativer Diskriminierung überlagern. Das zeigt sich bei Nicos Erfahrungen mit der Sondergesetzgebung für EU-Migrant_innen. Sein Antrag wurde vom zuständigen Jobcenter mit der Begründung abgelehnt, dass die eingereichten Rechnungen nicht für die Begründung einer tatsächlichen selbständigen Tätigkeit ausreichten. Um sein Recht auf Sozialleistungen geltend zu machen, wendete sich Nico an die Berliner Erwerbsloseninitiative BASTA, die mit Hilfe eines Anwaltes Widerspruch gegen die Entscheidung des Jobcenters beim Sozialgericht einlegte, der zum Zeitpunkt unserer Feldforschung noch geprüft wurde. Nico stellt dabei keinen Einzelfall dar. Es kommt sehr häufig zu unrechtmäßigen Weisungen und fehlerhaften Anwendungen geltenden Rechts durch die Jobcenter. Klagen und Widersprüche beim Sozialgericht gegen Entscheidungen der Jobcenter haben eine sehr hohe Erfolgsquote (knapp 40 Prozent im Jahre 2016; vgl. Die Zeit 2017). Auch Erwerbslose mit deutschem Pass sind von unrechtmäßigen Entscheidungen des Jobcenters betroffen. Allerdings können solche Praxen sehr drastische Auswirkungen für migrantisierte Subjekte mit sich bringen. Einerseits befinden sie sich aufgrund diskriminierender Gesetze des Öfteren in einer Lage, die Spielraum für situationsbedingte Diskriminierung eröffnet. Andererseits ist ihre Situation aufgrund der besonderen Rechtslage und fehlender Hilfsangebote bzw. Kompetenzen, diese in Anspruch zu nehmen, besonders prekär.

Diese unübersichtliche Gemengelage an situativer und rechtlicher Diskriminierung ist Teil der institutionellen Praxis des Jobcenters. Dennoch: Den enormen (Macht-)Spielraum, den die Mitarbeiter_innen des Jobcenters bei der Beurteilung der Rechtslage haben, zeigt sich besonders im Vergleich mit Darko. Er ist, um die Eingangsanforderungen des Jobcenters zu erfüllen, einer kurzfristigen selbständigen Tätigkeit nachgegangen, die sich in Form und Umfang von derjenigen Nicos kaum unterschied. Sein Antrag wurde ohne Rechtsstreit vor dem Sozialgericht – jedoch nicht ohne für Darko belastende Verzögerung – bewilligt. Darkos Situation wurde zusätzlich durch bürokratische Kommunikationsprobleme erschwert, da sich zwei Jobcenter wegen eines Umzugs in ein Obdachlosenheim um die Zuständigkeiten für seinen Fall stritten. Das gerade für Migrant_innen ohne festen Wohnsitz typische Problem lag jedoch darin, dass keines der beiden Ämter Verantwortung für seinen Fall übernehmen wollte. Eine weitere Hürde ist in solchen Situationen, dass die sprachlich herausfordernden und umfassenden Erstanträge bei jedem Jobcenterwechsel neu ausgefüllt werden müssen. Ohne die Kenntnis ziviligesellschaftlicher Akteure wie Erwerbsloseninitiativen ist es Menschen, die über geringfügige Deutschkenntnisse verfügen und wenig Wissen über die bürokratisch-administrativen Abläufe besitzen, oft nicht möglich, ihre Rechte gegenüber einer etablierten Institution durchzusetzen. An diesem Punkt sind es Erwerbsloseninitiativen, die durch ihre Arbeit Menschen dabei helfen, sich von ihrer von Subalternität geprägten Subjektposition zu emanzipieren und ein Gegengewicht in einem ungleichen Machtverhältnis zu entwickeln.

Der seit zwei Jahren im Wedding wohnenden Irina, die im Gegensatz zu den anderen Gesprächspartner_innen das Jobcenter seither nicht gewechselt hat und über sehr gute Deutschkenntnisse verfügt, ist die Praxis des Verzögerns von Abläufen in der Institution wohlbekannt. Probleme bereitete ihr etwa eine Auslandskrankenversicherung, deren litauische Dokumente dem Jobcenter nicht vorlagen:

»Ich hatte so eine ganz komplizierte Geschichte mit der Gesundheitsversicherung. Ja, da musste ich warten, bevor die zusagen und ich kann die Leistungen nun auch bekommen. Es hatte ein paar Monate gedauert. Und, ja, ich hatte nicht alle Dokumente auf einmal dort. Deswegen hat das zusätzlich gedauert.« (Interview Irina vom 22.12.2015)

Irinas Verhältnis zum Jobcenter war vom ersten Beratungsgespräch an von Spannungen geprägt, da sie sich diskriminiert fühlte, als ihr »ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Sozialleistungen« vorgeworfen wurde, denn »die haben gesagt, dass ich aus Litauen nur wegen dem Geld komme und das war gar nicht so« (ebd.). Das nicht nur von konservativen Seiten medial verbreitete Bild von Migrant_innen, die dem deutschen Staat zur Last fallen, wird in diesem Beispiel von einer sozialstaatlichen Institution reproduziert. Damit kann die Wirkmächtigkeit diskriminierender Fremdzuschreibungen wie »Wirtschaftsflüchtlinge«, »Einwanderer in die Sozialsysteme« und »Armutsmigranten« auf subjektiver Ebene nachvollzogen werden: das Gefühl ungerecht behandelt zu werden, illegitime Ansprüche an wohlfahrtsstaatliche Institutionen zu stellen und sich dabei in einem Herrschaftsverhältnis zu befinden, in dem die eigene Position von Ohnmacht geprägt ist. Wie in diesem Beispiel deutlich wird, findet in situativen Diskriminierungen oft eine rassistische Degradierung aufgrund des migrantischen Status statt. Unsere These ist hier, dass eben solche Behandlungen dazu führen, dass sich Menschen ihrem migrantischen Status bewusst werden. Durch situative Fremdzuschreibung wird sie als ein Subjekt behandelt, dass sich wegen ihrer Herkunft von »den Deutschen« unterscheidet – eine Differenz, die sie außerhalb dieses Kontextes aufgrund ihres kosmopolitischen Freundeskreises selbst nicht zieht.

Einen anderen rechtlichen Status hat der von uns begleitete Syrer Jay. Er nimmt als anerkannter Flüchtling nach § 25 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz ein Aufenthaltsrecht mit besonderer Stellung im Jobcenter ein. Anders als Darko und Nico, aber genauso wie Irina, hat Jay studiert. Was seine Lage allerdings erschwert, ist die Nichtanerkennung seines Studienabschlusses in Deutschland. Trotzdem hat er eine eher privilegierte Stellung im Vergleich zu unseren anderen Gesprächspartner_innen, denen die Einwanderung ins deutsche Sozialsystem unterstellt oder deren Antrag auf ALG II zunächst abgelehnt wurde, da ihre Voraussetzungen den notwendigen Anforderungen nicht entsprachen. Während der Anfangszeit ging es seinen Sachbearbeiter_innen vor allem darum, Jay zur Teilnahme an Integrations- und Sprachkursen zu verpflichten. Vor Terminen beim Jobcenter war Jay daher stets sehr angespannt. Er teilte uns mehrmals mit, dass er befürchte, ihm werde das Arbeitslosengeld II nicht genehmigt oder gestrichen, die Miete werde nicht weiter gezahlt oder ihm würden anderweitige Sanktionen aufgebürdet. Daher bereitete er sich immer penibel auf die Termine beim Jobcenter vor und ordnete akribisch sämtliche Unterlagen, um unter allen Umständen Fehler zu vermeiden, die dazu führen könnten, dass sich seine Befürchtungen bewahrheiteten. Unter anderem aus diesem Grund äußerte Jay immer wieder das Gefühl, mit dem Jobcenter viel Arbeit zu haben: »I have to work so much, if I want to be in this machine of Jobcenter« (Interview Jay vom 18.10.2015). Das Bild des deut- schen Arbeitsmarktes und des Jobcenters als »big machine« hatte sich Jay nicht selbst ausgedacht. Vielmehr wurde er so von seiner ersten Sachbearbeiterin begrüßt:

»the first time when I registered in the Jobcenter, I was asked in the first interview what I was working before and I was with my friend and he was translating between me and the employer there and she told me: okay, you are welcome in the machine of work here in Germany. (...) and this image is planted in my brain somehow.« (ebd.)

Er benutzte diese Metapher ständig, was wir einerseits als Kritik gegenüber der Autorität des Jobcenters und andererseits als Zeichen des großen Einflusses der Institution auf Jays Leben interpretieren. Aber warum äußert sich eine Jobcenter-Mitarbeiterin gegenüber einem Kunden in dieser Weise? Und warum geht Jay dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf? Wir möchten diese zwei Fragen folgendermaßen beantworten: Hier wird ein Herrschaftsverhältnis vermittels der arbeitsmarktpolitischen Logistik (re-)produziert.

Die Machtstrukturen, die dieser Situation zugrunde liegen, lassen sich mit Michel Foucaults ouvernementalitätskonzept (vgl. Foucault 2005) beschreiben, bei dem es auch um die Internalisierung einer disziplinierenden Kontrollinstanz geht. Das Jobcenter stellt neben solch einer repressiven Disziplinierung der Subjekte eben auch eine Institution der Anleitung zur Selbstregierung dar. Diese strukturelle Verstrickung von der institutionellen Regierung der Subjekte mit deren Selbstregierung fungiert als grundlegendes Prinzip neoliberaler Gesellschaften. Dabei beschreibt Selbstregierung einen Prozess der Verinnerlichung historisch-diskursiv geformter Normalität verstanden als Herausbildung eines intrinsischens Verlangens. Die normierende und normalisierende Wirkung der Disziplinierung von außen wird nicht mehr länger von außen erzwungen, sondern nunmehr vonseiten der Subjekte selbst ausgeübt: Selbstdisziplinierung, Selbstkontrolle und Selbstführung werden nicht nur vom Individuum erwartet, sondern mit Erfolg auf dem Arbeitsmarkt – und somit sozialem Erfolg – belohnt.

Foucault zufolge ist die Selbstregierung des Subjekts keine solitäre Erscheinung, sondern mit der Herausbildung staatlicher Regierung verbunden. Erst beides gemeinsam führe zur Genese der Gouvernementalität als »eine[r] Ko-Formierung von modernem souveränen Staat und modernem autonomen Subjekt« (Lemke 2000, 33). Dabei entwickelt sich die Regierungspraxis des neoliberalen Staates durch einen vermeintlichen Rückzug aus Bereichen des öffentlichen Lebens, »de[m] tendenzielle[n] Übergang von der öffentlichen zur privaten Sicherheit, vom gesellschaftlichen zum individuellen Risikomanagement, von der Sozialversicherung zur Eigenverantwortung, von der Staatsversorgung zur Selbstsorge« (Lessenich 2003, 86). Die vorgebliche Reform des deutschen Sozialstaates durch die sogenannten Hartz-Gesetze kann dabei als typisches Beispiel für eine solche gouvernementale Praxis angesehen werden. Die Konsequenz aus der Individualisierung (arbeitsmarkt)politischer Risiken und der Privatisierung sozialer Sicherheit vollzieht eine Veränderung in der Verantwortung des Staates gegenüber den Individuen und umgekehrt. Menschen, die aufgrund ihrer Erwerbslosigkeit auf das Jobcenter angewiesen sind, bekommen die Sozialleistungen nicht als solidarische Unterstützung der Gesellschaft gegenüber dem Individuum, sondern müssen sich das Recht darauf durch ihre Mitwirkungspflicht immer wieder neu verdienen. Wer die gouvernementale Selbstpraxis als Arbeitslose_r in den Augen der Mitarbeiter_innen des Jobcenters nicht hinreichend beherrscht, dem wird durch das Jobcenter zu dieser Fähigkeit verholfen, so als ob das Jobcenter eine gouvernementale Leerstelle in den Subjekten ausfüllen würde: »›Führung zur Selbstführung‹ bzw., in vollendeter Form, ›Führung durch Selbstführung‹ heißt demzufolge die neue politische Rationalität wohlfahrtsstaatlicher Regierung« (Lessenich 2003, 87). Zu diesem Zweck werden sich die Individuen eben nicht selbst überlassen, sondern durch disziplinierende Maßnahmen, repressive Kontrollmechanismen und der omnipräsenten Drohung von Sanktionen zum Selbstverantwortlichsein angeleitet.

Unsere Interviewpartner_innen machten im Jobcenter einschneidende Erfahrungen mit diesen repressiven und disziplinierenden Praktiken der gouvernementalen Mobilisierung. Irina erzählte uns beispielsweise von einem für sie als traumatisch empfundenen Ereignis, das sie bereits bei ihrem ersten Termin in der Leistungsabteilung im Jobcenter Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg erlebte. Eine Jobcenter-Mitarbeiterin warf ihr vor, ausschließlich wegen des Geldes nach Deutschland gekommen zu sein, und schrie sie darauf hin an. In der Folgezeit kam es bei Irina zum Wiederauftreten einer Autoimmunerkrankung, unter der sie zuletzt in ihrem zehnten Lebensjahr litt. Die Erkrankung stellt sie in einen kausalen Zusammenhang mit der Erfahrung im Jobcenter:

»und dann dieses Schreien und da konnte ich mich für drei Stunden gar nicht bewegen. (...) das war sehr viel Stress, und ich hatte noch nie ein solches Gefühl, so, dass ich nichts dagegen tun kann. Ich hatte viel schlimmere Situationen, ja, viel, viel schlimmere, aber ich konnte was dagegen tun. Und beim Jobcenter, als die geschrien hat, konnte ich nichts dagegen tun.« (Interview Irina vom 22.12.2015)

Irina beschreibt hier eine Ohnmacht gegenüber konkreten Praktiken des Jobcenters, die sie handlungsunfähig zurückließen. Sie erwähnte uns gegenüber viele solcher konkreten Disziplinierungsmaßnahmen. So wurde ihr etwa ein einfaches Bewerbungstraining verordnet, dessen Sinnhaftigkeit für sie mit Blick auf ihre Ausbildung als Akademikerin nicht gegeben war. Aufgrund befürchteter Sanktionen besuchte sie die Maßnahme dennoch bis zum Ende. Zudem erwähnte sie auch subtilere Formen der Kontrolle: Irina hat, so berichtete sie uns, eine relativ klare Vorstellung von ihrer beruflichen Perspektive, kritisierte aber die fehlende Unterstützung bei der Suche nach ihrem individuellen Karriereweg. Anstelle des Eingehens auf langfristige individuelle Bedürfnisse stünde beim Jobcenter die Vermittlung einer konkreten Vorstellung von Arbeit, die sie folgendermaßen auf den Punkt bringt: »Wir sind hier für die Lohnarbeit, dass du Lohnarbeit bekommst. Und das ist das Ziel. Die haben nicht gefragt, ob das mein Ziel ist oder ob ich freiberuflich arbeiten will oder sowas« (ebd.). Insgesamt beschreibt Irina ein Jobcenter, das den vermeintlich fehlenden Willen der Kundin, eine Arbeit zu finden, durch disziplinierende Maßnahmen wiederherstellt: »[...] Das ist auch Jobcenter: Das macht so einen Druck, sodass man Arbeit finden will« (ebd.). Es ist eben dieser Wille zur Arbeit, der das verbindende Element zwischen allen vier Begleiteten ausmacht. So unterschiedlich die jeweiligen Hintergründe und Lebensrealitäten auch sind, ist der Ausdruck des individuellen Wunsches, eine Arbeit zu finden, doch stets präsent. Hierbei kann von einer Anleitung des Jobcenters zur Selbstregierung gesprochen werden, die in einer Reihe mit der neoliberalen Zuweisung von Verantwortung für die eigene Erwerbslosigkeit steht. Denn diese wird beim Individuum selbst verortet und blendet makrosoziale Zustände weitgehend aus.

Im Gegensatz zur Akademikerin Irina hat Darko aufgrund seiner sozio-ökonomischen Position diejenigen Praktiken des Jobcenters zu spüren bekommen, die auf all jene Menschen zielen, denen nur schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt beigemessen werden: Wegen eines Umzuges in eine neue Wohnung nach Berlin-Spandau musste sich Darko mehrfach bei seinem alten Jobcenter in Berlin-Neukölln und bei dem neuen in Spandau um die Finanzierung einer Ersteinrichtung bewerben. Zu diesen Terminen haben wir Darko begleitet und die unklare Kompetenzverteilung selbst miterlebt: Die Jobcenter schoben sich die Zuständigkeit für die Finanzierung der Ersteinrichtung gegenseitig zu, so dass das Resultat dieser Kompetenzstreitigkeit war, dass sich die Zahlung um mehrere Monate verzögerte und die Familie drei Monate in einer gänzlich unmöblierten Wohnung lebte. Das lange Warten auf den Bescheid hatte für Darko direkt körperliche Konsequenzen. So klagte er bei fast jedem unserer Treffen über Schmerzen vom Schlafen auf dem harten Boden. Konflikte mit dem Jobcenter hatte er fast wöchentlich, und obwohl er nie zuvor über einen längeren Zeitraum einer regulären Lohnarbeit nachgegangen war, bewegten Geldknappheit und Repressionen ihn dazu, nach zwei Jahren Bezug von Arbeitslosengeld II den Wunsch nach erwerbsförmiger Arbeit als ein zentrales Ziel seines Lebens zu äußern, denn »mit dem Jobcenter ist es immer Stress. Man bekommt Stress« (Interview Darko vom 15.11.2015). Darkos Erfahrungen mit dem Jobcenter setzen sich letztlich aus unterschiedlichen Elementen zusammen: permanenter Stress wegen drohender Sanktionen oder tatsächlicher Schikanen, notorische Geldknappheit trotz des Bezugs von Arbeitslosengeld II einschließlich des Lebens unter prekären Umständen, entweder obdachlos oder in einer unmöblierten Wohnung. Seine Erfahrungen zeigen nahezu paradigmatisch, wie die Disziplinierungsmaßnahmen, die Sanktionen und die spezifische Art der Behandlung von Migrant_innen zu einer marktkonformen Subjektivierung führen. Darko fasst die Veränderung seiner Subjektivität und die Verinnerlichung der Selbstregierung in einer einzigen Aussage zusammenfassen: »Ich will niemals mehr arbeitslos sein.« (ebd.)

Migrantisierung, Disziplinierung und Subjektivierung im Jobcenter

Logistisch betrachtet wird über gesetzliche Verordnungen als auch über konkrete institutionelle Praxen im Jobcenter ein dem neoliberalen Wohlfahrtsstaat passendes, arbeitsmarktkonformes Subjekt hergestellt. Dieser Vorgang betrifft auch nichtmigrantisierte Subjekte. Darüber hinaus sind jedoch auch migrationsspezifische Praxen wirksam. Dabei sind unter anderem Faktoren wie Herkunft und Bildungshintergrund relevante Größen, da sie einerseits auf struktureller Ebene in- oder exkludierend bezüglich des Arbeitsmarktes wirken und mit einer unterschiedlichen Behandlung im Jobcenter einhergehen können. Andererseits generieren individuelle Herkunftsgeschichten und Bildungshintergründe unterschiedliche Perspektiven der Akteure auf ihre Alltagspraxis im Jobcenter und verbinden sich mit verschiedenen Handlungsspielräumen und Deutungsmustern. In Deutschland außerhalb des Jobcenters gemachte Erfahrungen, etwa die Kategorisierung als »Ausländer_in«, die Nichtanerkennung von Bildungsabschlüssen sowie allgemein die Konfrontation mit einem gesellschaftlichen Arbeitsverständnis, demzufolge Wohlstand aus harter Arbeit und Armut aus individuellem Versagen resultiere, führen, so konnten wir beobachten, bei unseren Gesprächspartner_innen zu einer Infragestellung des »Imperativs der Integration«.

Erfahrungen im Jobcenter verstärken oftmals diese Infragestellung, da die eigene migrantische Position zu einer Behandlung führt, der deutsche Bürger_innen nicht ausgesetzt sind – Erfahrungen mithin, die eine »Migrantisierung« nicht nur voraussetzen, sondern durch rassistische Etikettierungs- bzw. weitergehenden Diskriminierungspraxen erst hervorbringen. Dabei reicht das Spektrum der insitutionell-situativen Handlungen von Hinweisen auf die nichtdeutsche Herkunft und dem Erklären »deutscher« Spielregeln, so etwa bei Jay, über Vorwürfe der Einwanderung ins deutsche Sozialsystem und dem Erschleichen von Sozialleistungen, wie oben anhand von Irina ausgeführt, bis hin zu rechtlich fixierten Ungleichbehandlungen wie bei Darko und Nico, die aufgrund von Entscheidungen des Jobcenters dramatische Auswirkungen für ihr Wohlergehen erdulden mussten. Dadurch wird den Subjekten bewusst, dass sie anders sind, eben weil sie anders behandelt werden. Das Zusammenspiel von Jobcenterstruktur und migrantisiertem Individuum lässt sich somit als Raum der Koproduktion einer Grenze begreifen. Teil dieser Grenzziehung ist, dass den Migrantisierten die Schuld an ihrer jeweils eigenen prekären Lage gegeben wird. Dabei lassen sich zwei kategorisierende Prozesse ausmachen: einerseits allgemeine auch Nichtmigrant_innen betreffende Disziplinierungen, die die Antragsteller_innen in legitime »Arbeitsmarktbürger_innen« und illegitime »Leistungsbezieher_innen« aufteilen. Andererseits entstehen über diese allgemeine Disziplinierung hinaus besondere Migrantisierungsprozesse, die zu einer Trennung von Migrant_innen und Nicht-Migrant_innen führen. Hierbei spielen sowohl gesetzliche Regelungen als auch konkrete institionell-situative Praxen im Jobcenter eine Rolle. Beide Prozesse prägen die Erfahrungen der von uns begleiteten und interviewten Menschen und münden in einer spezifischen Subjektivität. Die beiden Prozesse, die sich mit Foucault als gouvernementale Praxen fassen lassen, sind unseres Erachtens die Eckpfeiler des Logistikzentrums Jobcenter, das als Institution mitsamt den in seinem Rahmen handelnden Akteur_innen zu einem Teil des Grenzregimes wird. Die von uns Befragten waren durch die Praxis der Jobcenter allesamt gehetzt, entnervt und bereit, alles dafür zu geben, sich aus ihrer miserablen Lage »zu befreien«. Obwohl die Interviewten durchaus Kritik an dieser Situation äußerten, stellt das Jobcenter für unsere Gesprächspartner_innen immer noch die einzige gesellschaftliche Institution dar, die für ihre finanzielle Sicherung zuständig ist.

An diese Befunde einer doppelten Repression anschließend liegt es nahe, im Sinne einer »Entmigrantisierung der Migrationsforschung« sowie zugleich einer »Migrantisierung der Gesellschaftsforschung« (vgl. Bojadžijev/Römhild 2014) anzunehmen, dass die Erforschung von Problemen der Migration zugleich ein Verständnis gesamtgesellschaftlicher Prozesse befördert. Wenn etwa Mitarbeiter_innen des Jobcenters diskriminierende und rassistische Praktiken gegenüber Migrant_innen ausüben, wäre es womöglich gewinnbringend, in weiteren Forschungen der Frage nachzugehen, inwiefern das Jobcenter als institutioneller Träger rassistisch-diskrimierender Praxen auch andere Gruppen von Menschen benachteiligend behandelt.

Anmerkungen

(1) Interview Jay vom 18.10.2015. Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Reprint des gleichnamigen, in den Berliner Blättern (Heft 78/2018, S.106–124) veröffentlichten Beitrags. Wir danken den Menschen des Panama-Verlags, dass sie problemlos der Wiederveröffentlichung zugestimmt haben. An dieser Stelle möchten wir uns zudem ganz herzlich bei unseren Gesprächspartner_innen für ihre Offenheit und Ermöglichung der Forschung sowie bei Manuela Bojadžijev, Sina Arnold und Sabrina Apicella für die intensive Unterstützung bei der Erstellung des Artikels, den vielen wichtigen Kommentaren und inhaltlichen Ergänzungen sowie mannigfacher Formulierungshilfen bedanken. Sie waren uns eine enorme Hilfe.

(2) Die Namen aller in diesem Artikel erwähnten Gesprächspartner_innen wurde aufgrund der Verlagsvorgaben und der Gewährung von Anonymität geändert.

(3) Damit sind solche Menschen gemeint, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, aber aufgrund von Erwerbslosigkeit auf Sozialleistungen zur Sicherung ihrer Existenzgrundlage angewiesen sind.Anmerkungen

(1) Interview Jay vom 18.10.2015. Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Reprint des gleichnamigen, in den Berliner Blättern (Heft 78/2018, S.106–124) veröffentlichten Beitrags. Wir danken den Menschen des Panama-Verlags, dass sie problemlos der Wiederveröffentlichung zugestimmt haben. An dieser Stelle möchten wir uns zudem ganz herzlich bei unseren Gesprächspartner_innen für ihre Offenheit und Ermöglichung der Forschung sowie bei Manuela Bojadžijev, Sina Arnold und Sabrina Apicella für die intensive Unterstützung bei der Erstellung des Artikels, den vielen wichtigen Kommentaren und inhaltlichen Ergänzungen sowie mannigfacher Formulierungshilfen bedanken. Sie waren uns eine enorme Hilfe.

(2) Die Namen aller in diesem Artikel erwähnten Gesprächspartner_innen wurde aufgrund der Verlagsvorgaben und der Gewährung von Anonymität geändert.

(3) Damit sind solche Menschen gemeint, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, aber aufgrund von Erwerbslosigkeit auf Sozialleistungen zur Sicherung ihrer Existenzgrundlage angewiesen sind.

(4) Eine Kritik am Regimebegriff und dessen Erweiterung um eine materialistische Perspektive liefert Fabian Georgi (2016)

(5) Eine interessante Untermauerung dieser These liefern Sebastian Friedrich und Marika Pierdicca mit ihrem Artikel »Migration und Verwertung« (2014), in dem sie u. a. zeigen, wie ein hegemoniales Verständnis von »Aufnahmeländern« Migration nach ökonomischen Gesichtspunkten reguliert.

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