Kantine »Festival«

Interview: Marktsozialismus. Globalgeschichte von Wirtschaftsreformen


Felix Wemheuer

Der klassische Staatssozialismus, der aus der Oktoberrevolution von 1917 hervorging, scheiterte nicht zuletzt auf ökonomischem Gebiet. Zwar gelang es sozialistischen Staaten in Osteuropa und Asien in der Nachkriegszeit durch die Übernahme des sowjetischen Systems der zentralen Planwirtschaft Schwerindustrien aufzubauen und Wirtschaftswachstum zu erzeugen. Nach anfänglichen Erfolgen bei der nachzuholenden Industrialisierung gerieten diese Länder aber in wirtschaftliche Krisen. Das Modell der zentralen Planwirtschaft konnte weder die wachsenden Konsumbedürfnisse der Bevölkerung befriedigen, noch auf die technologischen Herausforderungen aus dem Westen, wie die »mikroelektronische Revolution«, reagieren. Politische Legitimationskrisen der Herrschaft der Kommunistischen Parteien waren die Folge. Nicht wenige Parteikader und ÖkonomInnen des Ostens sahen daher bereits in den 1960er-Jahren marktsozialistische Wirtschaftsreformen als mögliche Lösung der Probleme. Man diskutierte die Einführung von Marktelementen, die Liberalisierung von Preisen, Dezentralisierung der Planung und die Autonomie für Betriebe. Eine wichtige Rolle spielten die Reformversuche des jugoslawischen Modells unter Tito, das »Neue System der Planung und Lenkung« in der DDR, der »Neue Ökonomische Mechanismus« in Ungarn sowie die »sozialistische Marktwirtschaft« der Volksrepublik China. Nicht zuletzt wird diskutiert, ob sich das heutige Modell Chinas sich noch im Rahmen des »Marktsozialismus« bewegt oder staatskapitalistisch geworden ist. In den historischen Debatten um »Marktsozialismus« wurden viele Fragen aufgeworfen, die auch im 21.Jahrhundert noch von zentraler Bedeutung sind.

Im Vorfeld seines Vortrags im Rahmen der Kantine-Nebenreihe zu »Rat & Plan« am 16.05.2024 haben wird mit Felix Wemheuer gesprochen. Er ist Professor für Moderne China-Studien an der Universität Köln. Zu seinen Veröffentlichungen gehören »Social History of Maoist China«, »Marx und der globale Süden«, »Chinas große Umwälzung« sowie eine der Reader »Marktsozialismus«. Er studierte »Geschichte der KPCh« an der Volksuniversität in Beijing (2000-2002), war Gastwissenschaftler an der Harvard Universität (2008-2010), Fudan Universität in Shanghai (2018, 2023) und an der Academia Sinica in Taibei (2023). Seine neusten Veröffentlichungen sind »Die Zukunft mit China denken« (herausgeben mit Daniel Fuchs u.a.). Wemheuer hat auch den youtube-Sender »Studying Maoist China« (https://www.youtube.com/@felixwemheuerstudyingmaois1051/videos).