Imagine there’s no Gender
Veronika KracherWer von Utopien in der Literatur spricht, bezieht sich damit in der Regel auf Thomas Morus’ Erzählung des fiktiven Staates „Utopia“ aus dem Jahre 1615. Dass bereits über 200 Jahre zuvor die italienische Autorin und Intellektuelle mit „Das Buch von der Stadt der Frauen“ eine protofeministische Utopieerzählung publiziert hatte, wird in dem nach wie vor patriarchal geprägten Literaturkanon meistens unterschlagen.
Dabei bieten gerade feministische Utopien einen faszinierenden Gegenentwurf zu den in der Regel allzu wenig auf das Geschlechterverhältnis bedachten Zukunftsvisionen männlicher Autoren. In ihnen allen gibt es ein wiederkehrendes Moment, das den Kern feministischer Theorie wiederspiegelt: Die Befreiung des Menschen muss zwingend mit der Befreiung von geschlechtlicher Unterdrückung einhergehen.
In dem im Magazin für Popkultur „Testcard“ publizierten Essay „Imagine there’s no Gender – Zur feministischen Utopie in der Literatur“ gibt die Autorin Veronika Kracher einen Überblick über die Geschichte der Utopieerzählungen, mit einem besonderen Fokus auf queere und feministische Werke, um letztendlich an dem Beispiel von Margaret Piercys „Women on the edge of time“ (1976) einen tieferen Einblick in einen der ihrer Ansicht nach wichtigsten sozialistisch-feministischen Science Fiction-Romane des 20. Jahrhunderts zu geben.
Veronika Kracher, 1990 in München geboren, beschäftigt sich mit der Incel-Subkultur, der Alt-Right, Imageboards wie 4chan und Rechtsterrorismus. Weitere Forschungsschwerpunkte sind Feminismus und Patriarchatskritik, Antisemitismus, Literaturtheorie und Popkultur. Regelmäßige Publikationen u. A. in »konkret«, »Jungle World«, »Neues Deutschland« und »Antifaschistisches Infoblatt«.