Kantine »Festival«

Die Neue Frau und das revolutionäre Selbst nach der Russischen Revolution


Elfriede Müller

Jonas A. Salkind besuchte auf Empfehlung von Alexandra Kollontai das Melodrama Der Verlobte im MAXIM. Mit anderen beliebten Melodramen der vorrevolutionären Jahre spielte es auch nach der Revolution weiter in den Kinos. Sie waren einfach zu beliebt. Gleichwohl wunderte sich der Genosse über die Empfehlung und fragte nach dem Grund. Kollontai antwortete: „Dass die junge Frau sich wehrt, und zwar nicht für sich selbst, sondern für die unschuldige Tote“, die von dem „Verlobten“ ermordet wurde. Diese Anekdote verdeutlicht, dass Alexandra Kollontai die Neue Frau in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens entdeckte, es nicht bei einer reinen Kritik der Verhältnisse beließ und nicht erwartete, dass sich diese allein durch ökonomische Unabhängigkeit herausbildete.

Der Vortrag von Elfriede Müller befasst sich mit Kollontais Entwürfen einer sozialistischen Lebensweise der neuen sowjetischen Frau ohne Familie, deren Realisierungsprobleme und anderen Beispielen von weniger bekannten Kommunistinnen, die von der Russischen Revolution geprägt und bereit waren, ihrer Ausbreitung ihr ganzes Leben zu widmen, wie z. B. Hilde Kramer, Babette Gross, Agnes Smedley, Metona Moser u.a. Diese Frauen sahen aufgrund der revolutionären Veränderung in Russland auch für sich selbst eine befreite Perspektive.

Elfriede Müller hat Geschichte und Literaturwissenschaften studiert, ist Mitbegründerin der jour fixe Initiative Berlin und seit 1994 Beauftragte für Kunst im öffentlichen Raum des Berufsverbands bildender Künstler_innen (BKK). Veröffentlicht hat sie zu linker Ideengeschichte, kritischer Theorie und Roman noir.