Kantine »Festival«

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Antisemitismus in der DDR


Anja Thiele

25.7.24 14:00

Ob die DDR ein »antisemitischer Staat« gewesen sei, ist bis heute Gegenstand kontroverser und emotional geführter Diskussionen. Sowohl pauschale Verurteilungen als auch pauschale Entlastungen sind jedoch oft geschichtspolitisch motiviert und zielen am Kern der Sache – einer analytisch begründeten Kritik des Antisemitismus in der DDR – vorbei. Vor dem Hintergrund anhaltender antisemitischer Ressentiments in Teilen des linken Spektrums – insbesondere seit dem 7. Oktober – ist eine differenzierte, kritische Aufarbeitung der »linken« Geschichte und ihrer Ideologeme wichtiger denn je. Im Workshop soll gezeigt werden, dass sich antisemitische Ressentiments in der DDR aus zweierlei ideologischen Quellen speisten: Zum einen war in der staatstragenden Ideologie des Marxismus-Leninismus und dem damit einhergehenden Antiimperialismus eine Nähe zu antisemitischen Denkmustern angelegt. Zum anderen verbanden sich diese strukturell antisemitischen Denkfiguren mit nicht aufgearbeiteten, verdrängten und daher fortwirkenden antisemitischen Ressentiments der nachnationalsozialistischen (ost-)deutschen Gesellschaft. Im zweiten Teil des Workshops werden anhand von Textauszügen jüdischer Autor:innen aus der DDR die Auswirkungen antisemitischer Diskurse und Praktiken in der DDR auf Betroffene und ihre bis heute anhaltenden Folgen diskutiert.

Dr. Anja Thiele ist Literaturwissenschaftlerin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie forscht und lehrt u.a. schwerpunktmäßig zu deutsch-jüdischer Literatur, sowie Antisemitismus und Erinnerungsdiskursen in der Literatur. Im März 2024 ist ihre Dissertation »Die Shoah in der Literatur der DDR« im Winterverlag erschienen.