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Marktsozialismus

Globalgeschichte von Wirtschaftsreformen


Felix Wemheuer

16.5.24 19:00

Der klassische Staatssozialismus, der aus der Oktoberrevolution von
1917 hervorging, scheiterte nicht zuletzt auf ökonomischem Gebiet.
Zwar gelang es sozialistischen Staaten in Osteuropa und Asien in der
Nachkriegszeit durch die Übernahme des sowjetischen Systems der
zentralen Planwirtschaft Schwerindustrien aufzubauen und
Wirtschaftswachstum zu erzeugen. Nach anfänglichen Erfolgen bei der
nachzuholenden Industrialisierung gerieten diese Länder aber in
wirtschaftliche Krisen. Das Modell der zentralen Planwirtschaft
konnte weder die wachsenden Konsumbedürfnisse der Bevölkerung
befriedigen, noch auf die technologischen Herausforderungen aus dem
Westen, wie die »mikroelektronische Revolution«, reagieren.
Politische Legitimationskrisen der Herrschaft der Kommunistischen
Parteien waren die Folge. Nicht wenige Parteikader und ÖkonomInnen
des Ostens sahen daher bereits in den 1960er-Jahren
marktsozialistische Wirtschaftsreformen als mögliche Lösung der
Probleme. Man diskutierte die Einführung von Marktelementen, die
Liberalisierung von Preisen, Dezentralisierung der Planung und die
Autonomie für Betriebe. Eine wichtige Rolle spielten die
Reformversuche des jugoslawischen Modells unter Tito, das »Neue
System der Planung und Lenkung« in der DDR, der »Neue Ökonomische
Mechanismus« in Ungarn sowie die »sozialistische Marktwirtschaft«
der Volksrepublik China. Nicht zuletzt wird diskutiert, ob sich das
heutige Modell Chinas sich noch im Rahmen des »Marktsozialismus«
bewegt oder staatskapitalistisch geworden ist.
In den historischen Debatten um »Marktsozialismus« wurden viele
Fragen aufgeworfen, die auch im 21.Jahrhundert noch von zentraler
Bedeutung sind.

Der Vortrag wird am 16.05.24 um 19 Uhr im Lesecafe Odradek in Chemnitz stattfinden.


Felix Wemheuer ist Professor für Moderne China-Studien an der
Universität Köln. Zu seinen Veröffentlichungen gehören »Social
History of Maoist China«, »Marx und der globale Süden«, »Chinas
große Umwälzung« sowie eine der Reader »Marktsozialismus«. Er
studierte »Geschichte der KPCh« an der Volksuniversität in Beijing
(2000-2002), war Gastwissenschaftler an der Harvard Universität
(2008-2010), Fudan Universität in Shanghai (2018, 2023) und an der
Academia Sinica in Taibei (2023). Seine neusten Veröffentlichungen
sind »Die Zukunft mit China denken« (herausgeben mit Daniel Fuchs
u.a.). Wemheuer hat auch den youtube-Sender »Studying Maoist China«
(https://www.youtube.com/@felixwemheuerstudyingmaois1051/videos