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Die Gramsci-Legende


Felix Klopotek

Ketzerische Fragen: Gramsci hat die Kommunistische Partei in Italien mitgegründet – aber war er eigentlich Kommunist? Er gilt als großer Bereicherer der marxistischen Theorie – aber was hatte er von ihr verstanden? Gramscis Schriften weisen einen Ausweg aus den Aporien des Bolschewismus – aber welchen Anteil hatte sein politisches Handeln in den 1920ern an der Bolschewisierung »seiner« Partei?

»Mit Gramsci denken« – auf diese Maxime können sich bis heute die unterschiedlichsten Linken, von etatistisch bis beinahe anarchistisch, einigen. Gramsci-Kritik dagegen scheint eine Spezialangelegenheit von Mavericks zu sein, die zudem im Verdacht stehen, dem als dogmatisch und doktrinär verschrienen Gegenspieler Gramscis Amadeo Bordiga zu huldigen. Aber die Lage ist komplizierter. Gramsci hielt Bordiga, mit dem er tatsächlich politisch häufig nicht übereinstimmte, für einen seiner vertrauenswürdigen Freunde. Und im Gegensatz zu vielen seiner Exegeten war Gramsci sich stets bewusst, dass sein großer Not abgerungenes Werk alles andere als ausgereift und abgeschlossen war. Das Hindernis, das einer angemessen historisierenden und kritischen Beschäftigung mit Leben und Werk Gramscis im Wege steht, scheint eine spezifische Gramsci-Legende zu sein. Wer hat sie ins Leben gerufen? Und warum?

Der Vortrag, gehalten von Felix Klopotek am 06.08.2022, erlaubt sich, diese ketzerischen Fragen zu stellen und gibt einige Hinweise, um hartnäckigen Legendenbildungen in der kommunistischen Bewegung auf die Spur zu kommen.

Felix Klopotek lebt und arbeitet in Köln. Er hat 2009 die Schriften Christian Riechers’ herausgegeben, des ersten deutschen Gramsci-Forschers und vor allem: Kritikers (Die Niederlage in der Niederlage. Texte zu Arbeiterbewegung, Klassenkampf, Faschismus), er hat zu Amadeo Bordiga und Rätekommunismus gearbeitet und die Biographie Heinz Langerhans’ veröffentlicht (Heinz Langerhans: Die totalitäre Erfahrung).