„Die Gespräche beginnen schon mit einem Missverständnis“

Freitag, 09.08.2019, 18.30 Uhr – Szenische Lesung geschrieben von Kaśka Bryla und Carolin Krahl, vorgetragen von Carolin Krahl

Ein Briefwechsel zur Frage: Was ist links? unter Zuhilfenahme von Emma Goldman und Rosa Luxemburg

Was hat uns politisiert? Auf was berufen wir uns, wenn wir „links“ sagen? Die beiden Autorinnen fragen sich und einander nach den Ursprüngen und der Gegenwart ihrer politischen Überzeugungen und Strategien. Dabei beziehen sie sich auf zwei Frauen, deren Schreiben und Arbeiten für sie wichtig war und bleibt: zwei Frauen, die voneinander wussten, einander jedoch vermutlich nie begegnet sind, und von denen die Autorinnen ein ganzes Jahrhundert trennt. Mit Emma Goldman und Rosa Luxemburg verständigen sich Kaśka Bryla und Carolin Krahl über Anarchismus und Sozialismus, und sie streiten: über und um das, was davon heute (gültig) bleibt, was verschüttet wurde durch die vermeintlich irreversible historische „Niederlage“ der revolutionären Linken.

Halb Lesung, halb Audio, von Werkstattcharakter. Der Text ist nicht abgeschlossen (wie könnte er?).

Kaśka Bryla und Carolin Krahl sind beide Autorinnen und Redakteurinnen von PS: Anmerkungen zum Literaturbetrieb / Politisch Schreiben. Gemeinsam bilden sie ein Lektoratskollektiv.

Rosa Luxemburgs Krisen- und Zusammenbruchstheorie

Vortrag und Diskussion mit Markus Winterfeld am Freitag, 09.08.2019, 14.00 Uhr

Rosa Luxemburgs Krisen- und Zusammenbruchstheorie war sowohl theoretische wie politische Intervention. Die Theoretiker der Sozialdemokratie hatten die von Marx im Kapital Band II aufgestellten Reproduktionsschemata als Beweis genommen, dass die kapitalistische Gesellschaft nie mehr produzieren könne als sie zu konsumieren in der Lage ist. Eine allgemeine Überproduktion wäre daher unmöglich, Krisen entstünden nur aufgrund mangelnder gesellschaftlicher Planung, würden aber mit zunehmender Zentralisierung des Kapitals verschwinden. Produziert der Kapitalismus aber nicht in steigendem Maße Krisen und Verelendung, so entfällt jeder Zwang, ihn abzuschaffen. Es ist daher keinesfalls zufällig, dass alle Versuche, sich im Kapitalismus einzurichten, zuallererst die marxistische Krisentheorie beseitigen müssen, wie Rosa Luxemburg in ihrem ökonomischen Hauptwerk, „Die Akkumulation des Kapitals“, 1913 schrieb:

„Es ist klar, daß, wenn man die schrankenlose Akkumulation des Kapitals annimmt, man auch die schrankenlose Lebensfähigkeit des Kapitals bewiesen hat. … Ist die kapitalistische Produktionsweise imstande, schrankenlos die Steigerung der Produktivkräfte, den ökonomischen Fortschritt zu sichern, dann ist sie unüberwindlich. Der wichtigste objektive Pfeiler der wissenschaftlichen sozialistischen Theorie bricht dann zusammen, die politische Aktion des Sozialismus, der Ideengehalt des proletarischen Klassenkampfes hört auf, ein Reflex ökonomischer Vorgänge, der Sozialismus hört auf, eine historische Notwendigkeit zu sein.“

Der Vortrag stellt Rosa Luxemburgs Krisen- und Zusammenbruchstheorie dar und geht auf die Gegenargumente späterer Marxisten, insbesondere Henryk Grossmanns, ein. Der Vortrag zeigt, dass zwar Rosa Luxemburgs Lösungsversuch der Krisenfrage widerlegt wurde, nichtsdestotrotz ihre Einwände gegen die frühen ökonomischen Darstellungen des Krisenproblems auch auf ihre späteren marxistischen Kritiker zutreffen. Rosa Luxemburgs theoretische Leistung ist daher mitnichten überholt. Der Vortrag schließt mit einigen Thesen, wie im Anschluss an Rosa Luxemburg von der Krisen- auf die Werttheorie zurückgegangen werden muss, um eine theoretische Erklärung der kapitalistischen Krisen zu geben.

Lesung mit Ernst Piper

Dienstag, 06.08.2019, 18.30 Uhr – »Rosa Luxemburg. Ein Leben«

Rosa Luxemburg, 1871 im russischen Teil Polens geboren, gehörte vielen Minderheiten an. Sie kam aus einem jüdischen Elternhaus, perfektionierte erst während ihres Studiums in Zürich die deutsche Sprache, fand mithilfe einer Scheinehe in Deutschland ihre politische Heimat, war auf SPD-Parteitagen die einzige Frau mit einem Doktortitel und engagierte sich als rastlose Kämpferin für die europäische Arbeiterbewegung in nicht weniger als sieben verschiedenen sozialistischen Parteien.Luxemburg war die bedeutendste marxistische Denkerin ihrer Zeit. Sie kämpfte für die Diktatur des Proletariats, aber zugleich gegen den autoritären Zentralismus Lenins, weshalb sie auch die Gründung der Kommunistischen Internationale ablehnte. Ihre Revolutionstheorie, ihr Freiheitsbegriff und ihr unbedingter Internationalismus ließen sie zur Ikone des weltweiten Protests der 1968er-Bewegung werden. Ihr berühmter Satz «Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden» wurde eine Parole der Bürgerrechtler in der untergehenden DDR. In ihrer Gedanken- und Ideenwelt ist vieles zu finden, was auch heute, in einer Zeit des wieder erwachenden Nationalismus, anregend und wichtig ist.

Ernst Piper, 1952 in München geboren, lebt heute in Berlin. Er ist apl. Professor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam und hat zahlreiche Bücher zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts publiziert, zuletzt Nacht über Europa. Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs (2013) und Rosa Luxemburg. Ein Leben (2018).