Thomas Waimar
Donnerstag, den 10.08.19, 13.30
Im Anwachsen der Macht des Kapitals liegt der Ursprung systemsprengender Subjektivität, so die Annahme des italienischen Operaismus in den frühen 1960er Jahren. Je fremder den Arbeiter*innen die monströse Fabrik wird, desto unabhängiger werden sie als Arbeiter*innenklasse, um die Herrschaft der Maschinerie schließlich in eine herrschaftsfreie Gesellschaft assoziierter Produzent*innen zu überführen, so die Hoffnung. Eine andere – und weniger hoffnungsvolle – Möglichkeit dem Spätkapitalismus zu begegnen, wird beinahe zeitgleich in Deutschland diskutiert. Die gesellschaftliche Machtlosigkeit führe nicht zu einer Revolution gegen die Macht, sondern zu einer konformistischen Revolte gegen die anderen Ohnmächtigen und noch schlimmer Gebeutelten, so die Kritische Theorie in den 1950er Jahren. Man gleiche sich der kompromisslosen Härte der Maschine vielmehr autoritär an, statt sie bewusst zu kollektivieren.
Im fortgeschrittenen Industriezeitalter mag eine derart fundamentale theoretische Differenz verwundern: Hat die kapitalistische Totalität gar Risse bekommen oder sind es nur die Alpenpässe, die der universale Verblendungszusammenhang noch nicht bezwingen konnte? Der Vortrag zielt über die Auseinandersetzung mit dem Operaismus und der Kritischen Theorie jedoch vor allem auf die viel praktischere Frage: Nämlich auf die Frage nach den Bedingungen antagonistischer – oder gar revolutionärer – Subjektivität.