Philipp Loring
Freitag, 10.08.19, 13.30
Diskussionen über Arbeiten im politisch-motivierten Club, Kollektiven und linken und subkulturellen Zusammenhängen häufen sich. Nicht nur in Berlin und Leipzig. Auffallend dabei ist, dass die konkrete Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Arbeitsverhältnissen und den Strukturen denen sie entspringen merkwürdig umschifft wird. Warum glauben wir so gern die fable convenu des solidarisch-subversiven Produktionsverhältnisses, an den wärmenden Schutzraum vor der kalten Konkurrenz?
Davon ausgehend wäre die Frage zu entwickeln, warum uns Arbeiten in linken Zusammenhängen überhaupt erstrebenswert erscheint. Zunächst scheint das Kneipenkollektiv sowie das AJZ-Leben dem kapitalistischen Normalbetrieb enthoben. Die Personen, die da neben mir arbeiten, erscheinen nicht als Konkurrent*innen auf die nächste Beförderung oder Lohnerhöhung; stattdessen arbeiten alle solidarisch in die richtige Richtung. Im linken Club oder der Kneipe gibt es das aus Start Up-Unternehmen bekannte Phänomen des Vertagens des wirtschaftlichen Ernteerfolgs auf die rosige Zukunft, welches das Kollektiv zum Verzicht im Jetzt zwingt. Im AZ zum good will bis zum bitteren Ende.
Dem Referenten erscheint das linke Kollektiv/ das AJZ im Gegensatz dazu vielmehr als ein Experimentierfeld postfordistischer Arbeitsverhältnisse und kapitalistischer Verwertungslogik im subkulturellen Gewand, deren Tragweite und Auswirkungen oftmals verdrängt werden. So weit, so schlecht. Im Vortrag soll demzufolge die Frage im Mittelpunkt stehen, warum Personenzusammenhänge, die es eigentlich besser wissen müssten bei der eigenen „Lebensaufgabe“ eine erhöhte Kompromissbereitschaft an den Tag legen und wie weit es mit der Selbstverwirklichung eigentlich im Kapitalismus gediegen ist. Kurz gesagt: Warum erzählt man sich in linken Kreisen, und vielleicht auch mit Stolz, vom bevorstehenden Arbeitsplenum, während man zugleich über das Teammeeting der Bürogesellschaft abkotzt?
Dazu wird Philipp Lorig sprechen. Er hat einen thematisch ähnlichen Vortrag in den letzten Jahren in Berlin, Leipzig und Nürnberg auf der Grundlage der Kritik der politischen Ökonomie und arbeitssoziologischer Theorieansätze schon einmal gehalten, sucht aber weiterhin im Rekurs auf die Entwicklungsdynamik des Gegenstands nach Antworten. Philipp Lorig hat das Institut für Zukunft in Leipzig mit aufgebaut, sieht sich nach wie vor als Teil dieses Kollektivs und hat eine Doktorarbeit über prekäres Unternehmertum von Handwerkern unter Rückgriff auf marxistische Theorie und Kapitalismusanalyse geschrieben. Auch ist er Teil des Kulturraum e.V. (KreV) und der Partycrew Young Shields in Leipzig
Arbeitssoziologe Philipp Lorig ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der TU Chemnitz und forscht zu den Themen Prekarisierung, Solo-Selbstständigkeit, Theorien des Alltagsbewusstseins und Kapitalismustheorie