Vortrag mit Felix Gnisa am Samstag, 10.08.2018, 14.00 Uhr
Können Technologien dabei helfen, den Kapitalismus zu überwinden? Marx hatte darauf große Hoffnungen. Auf der anderen Seite betont er auch die Prägung von Technologien durch den Kapitalismus. Mit dem Begriff der reellen Subsumtion zeichnet er eine pessimistische Diagnose: Der Kapitalismus entwickelt sehr produktive Maschinen – die Arbeiterin wird in der industriellen Produktion aber zu ihrem Anhängsel gemacht, weil sie dem Takt mechanisierter Werkzeuge folgen muss. Das bedeutet Schwierigkeiten für gesellschaftliche Transformation, weil Arbeiterinnen nicht mehr in der Lage sind, Arbeitsprozesse selbst zu kontrollieren.
Neuere marxistische Strömungen wie der Postoperaismus renovieren hingegen den Marx’schen Produktivkraftoptimismus. Sie gehen davon aus, dass Arbeit heute vor allem immateriell ist, wie sie Informationen und Wissen produziert und digitale Technologien keine Herrschaft über diese Art der Arbeit mehr ausüben. Arbeit sei nur noch formell subsumiert, also frei von der Prägung durch kapitalistische Strukturprinzipien.
Anhand digitaler Plattformtechnologien wie Uber, Amazon Mechanical Turk und Facebook soll diese Diagnose diskutiert werden. An den Technologien lässt sich verdeutlichen, dass Produktivität heute tatsächlich wesentlich immateriell ist. Diese Art immaterieller Produktivität mündet aber auch in einer neuen Form technologischer Herrschaft: Der Subsumtion von Kommunikation, in der nicht mehr Werkzeugmaschinen, sondern Informationskreisläufe Kontrolle über Arbeit ausüben. Deswegen ist der Umbau digitaler Technologien nötig, wenn sie Mittel gesellschaftlicher Veränderungen sein sollen. Die Schwierigkeit, die die Marx’schen Ausführungen zum Maschinensystem offenlegen, besteht in der Frage, ob so ein Umbau möglich ist, ohne dass die Effizienz jener Technologien verschenkt wird.
Felix Gnisa aus Leipzig ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Industriesoziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena.